Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
wunderliche Art Spiegel, die so viel Angesichter zeigten, als Stund im Tag waren. Welcher wollte den nicht preisen, der die Buchstaben zuerst erfunden? ja wer wollte nicht vielmehr den über alle Künstler erheben, welcher die edle und der ganzen Welt höchst nutzbare Kunst der Buchdruckerei erfunden? Ist Ceres, weil sie den Ackerbau und das Mühlwerk erfunden haben soll, für eine Göttin gehalten worden, warum sollte dann unbillig sein, wenn man andern, ihren Qualitäten gemäß, ihr Lob mit Ehrentiteln berühmt? Zwar ist wenig daran gelegen, ob du grobes Kalb solches in deinem unvernünftigen Ochsenhirn fassest oder nicht: Es gehet dir eben wie jenem Hund, der auf einem Haufen Heu lag und solches dem Ochsen auch nicht gönnete, weil er es selbst nicht genießen konnte; du bist keiner Ehr fähig, und eben dieser Ursachen halber mißgönnest du solche denjenigen, die solcher wert sind.«
Da ich mich so gehetzt sah, antwortet ich: »Die herrlichen Heldentaten wären höchlich zu rühmen, wenn sie nicht mit anderer Menschen Untergang und Schaden vollbracht worden wären. Was ist das aber für ein Lob, welches mit so vielem unschuldig-vergossenem Menschenblut besudelt: und was ist das für ein Adel, der mit so vieler tausend anderer Menschen Verderben erobert und zuwegen gebracht worden ist? Die Künste betreffend, was sinds anders als lauter Vanitäten und Torheiten? ja sie sind ebenso leer, eitel und unnütz als die Titel selbst, die einem von denselbigen zustehen möchten; denn entweder dienen sie zum Geiz oder zur Wollust oder zur Üppigkeit oder zum Verderben anderer Leut, wie denn die schrecklichen Dinger auch sind, die ich neulich auf den halben Wagen sah; so könnte man der Druckerei und Schriften auch wohl entbehren, nach Ausspruch und Meinung jenes heiligen Manns, welcher dafür hielt, die ganze weite Welt sei ihm Buchs genug, die Wunder seines Schöpfers zu betrachten und die göttliche Allmacht daraus zu erkennen.«
Das 11. Kapitel
Von dem müheseligen und gefährlichen Stand eines Regenten
Mein Herr wollte auch mit mir scherzen, und sagte: »Ich merke wohl, weil du nicht edel zu werden getrauest, so verachtest du des Adels Ehrentitel.« Ich antwortet: »Herr, wenn ich schon in dieser Stund an deine Ehrenstell treten sollte, so wollte ich sie doch nicht annehmen!« Mein Herr lachte, und sagte: »Das glaube ich, denn dem Ochsen gehöret Haberstroh; wenn du aber einen hohen Sinn hättest, wie adelige Gemüter haben sollen, so würdest du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitäten trachten. Ich meinesteils achte es für kein Geringes, wenn mich das Glück über andere erhebt.« Ich seufzete und sagte: »Ach, arbeitselige Glückseligkeit! Herr, ich versichere dich, daß du der allerelendste Mensch in ganz Hanau bist.« »Wie so? wie so? Kalb«, sagte mein Herr, »sag mir doch die Ursach, denn ich befinde solches bei mir nicht.« Ich antwortet: »Wenn du nicht weißt und empfindest, daß du Gubernator in Hanau, und mit wie viel Sorgen und Unruhe du deswegen beladen bist, so verblendet dich die allzugroße Begierd der Ehr, deren du genießest, oder du bist eisern und ganz unempfindlich, du hast zwar zu befehlen, und wer dir unter Augen kommt, muß dir gehorsamen; tun sie es aber umsonst? bist du nicht ihrer aller Knecht? mußt du nicht für einen jedweden insonderheit sorgen? Schaue, du bist jetzt rund umher mit Feinden umgeben, und die Konservation dieser Festung liegt dir allein auf dem Hals, du mußt trachten, wie du deinem Gegenteil einen Abbruch tun mögest, und mußt daneben sorgen, daß deine Anschläg nicht verkundschaftet werden; bedürfte es nicht öfters, daß du selber, wie ein gemeiner Knecht, Schildwacht stündest? Überdas mußt du bedacht sein, daß kein Mangel an Geld, Munition, Proviant und Volk im Posten erscheine, deswegen du denn das ganze Land durch stetiges Exequieren und Tribulieren in der Kontribution erhalten mußt; schickest du die Deinigen zu solchem End hinaus, so ist rauben, plündern, stehlen, brennen und morden ihre beste Arbeit, sie haben erst neulich Orb geplündert, Braunfels eingenommen und Staden in die Asche gelegt, davon haben sie zwar sich Beuten, du aber eine schwere Verantwortung bei Gott gemachet: Ich lasse sein, daß dir vielleicht der Genuß neben der Ehr auch wohltut, weißt du aber auch, wer solche Schätz, die du etwa sammlest genießen wird? Und gesetzt, daß dir solcher Reichtum verbleibt (so doch mißlich stehet), so mußt du ihn doch in der Welt lassen, und
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