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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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welchen er überall mit Lumpen umwinden lassen, damit er nicht zerspringen sollte: Hierauf ließ ich das Wasser aus dem Zuber durch den Hahn hinweglaufen, darüber sich der Tropf herzlich erfreuet', nach solcher Verrichtung die Lumpen von sich tat und in wenig Tagen wieder allerdings zurechtkam. Auf solche Weis ist einem andern geholfen worden, der sich eingebildet, er habe allerhand Pferdgezeug, Zäum und sonst Sachen im Leib, demnach gab sein Doktor eine Purgation ein und legte dergleichen Ding untern Nachtstuhl, also daß der Kerl glauben mußte, solches sei durch den Stuhlgang von ihm kommen. So sagt man auch von einem Phantasten, der geglaubt habe, seine Nas sei so lang, daß sie ihm bis auf den Boden reiche, dem habe man eine Wurst an die Nas gehängt, dieselbe nach und nach bis an die Nas selbst hinweggeschnitten, und als er das Messer an der Nas empfunden, hätte er geschrien, seine Nas sei jetzt wieder in rechter Form; kann also, wie diesen Personen, dem guten Simplicio wohl auch wieder geholfen werden.«
    »Dieses alles glaubte ich wohl«, antwortet' mein Herr, »allein liegt mir an, daß er zuvor so unwissend gewesen, nunmehr aber von Sachen zu sagen weiß, solche auch so perfekt dahererzählet, dergleichen man bei älteren, erfahrneren und belesneren Leuten, als er ist, nicht leichtlich finden wird; er hat mir viel Eigenschaften der Tier erzählt, und mein eigene Person so artlich beschrieben, als wenn er sein Lebtag in der Welt gewesen, also daß ich mich darüber verwundern und seine Reden beinahe für ein Orakel oder Warnung Gottes halten muß.«
    »Herr«, antwortet' der Pfarrer, »dieses kann natürlicher Weis wohl sein, ich weiß, daß er wohl belesen ist, maßen er sowohl als sein Einsiedel gleichsam alle meine Bücher, die ich gehabt und deren zwar nicht wenig gewesen, durchgangen, und weil der Knab ein gut Gedächtnis hat, jetzo aber in seinem Gemüt müßig ist und seiner eigenen Person vergißt, kann er gleich hervorbringen, was er hiebevor ins Hirn gefaßt; ich versehe mich auch, daß er mit der Zeit wieder zurechtzubringen sei.« Also setzt' der Pfarrer den Gubernator zwischen Furcht und Hoffnung, er verantwortet' mich und mein Sach auf das beste und bracht mir gute Tag, sich selbst aber ein Zutritt bei meinem Herrn zuwege. Ihr endlicher Schluß war, man sollte noch ein Zeitlang mit mir zusehen; und solches tat der Pfarrer mehr um seines als meines Nutzens wegen, denn mit diesem, daß er so ab- und zuging und sich stellet', als wenn er meinethalben sich bemühet' und große Sorg trug, überkam er des Gubernators Gunst, dahero gab ihm derselbige Dienst und machte ihn bei der Garnison zum Kaplan, welches in so schwerer Zeit kein Geringes war und ich ihm herzlich wohl gönnete.

Das 14. Kapitel
    Was Simplicius ferner für ein edel Leben geführt, und wie ihn dessen die Kroaten beraubt, als sie ihn selbst raubten
    Von dieser Zeit an besaß ich meines Herrn Gnad, Gunst und Lieb vollkommenlich, dessen ich mich wohl mit Wahrheit rühmen kann; nichts mangelt' mir zu meinem bessern Glück, als daß ich an meinem Kalbskleid zu viel und an Jahren noch zu wenig hatte, wiewohl ich solches selbst nicht wußte; so wollte mich der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihn solches noch nicht Zeit und seinem Nutzen verträglich zu sein bedünkte. Und demnach mein Herr sah, daß ich Lust zur Musik hatte, ließ er mich solche lernen und verdinget' mich zugleich einem vortrefflichen Lautenisten, dessen Kunst ich in Bälde ziemlich begriff, und ihn um soviel übertraf, weil ich besser als er darein singen konnte: Also dienete ich meinem Herrn zur Lust, Kurzweil, Ergötzung und Verwunderung. Alle Offizier erzeigten mir ihren geneigten Willen, die reichsten Bürger verehrten mich, und das Hausgesind neben den Soldaten wollten mir wohl, weil sie sahen, wie mir mein Herr gewogen war; einer schenkte mir hier, der ander dort, denn sie wußten, daß Schalksnarren oft bei ihren Herren mehr vermögen, als etwas Rechtschaffenes, und dahin hatten auch ihre Geschenk das Absehen, weil mir etliche darum gaben, daß ich sie nicht verfuchsschwänzen sollte, andere aber eben deswegen, daß ich ihretwegen solches tun sollte; auf welche Weis ich ziemlich Geld zuwegen brachte, welches ich mehrenteils dem Pfarrer wieder zusteckte, weil ich noch nicht wußte, wozu es nutzete. Und gleich wie mich niemand scheel ansehen durfte, also hatte ich auch von nirgends her keine Anfechtung, Sorg oder Bekümmernis; alle meine Gedanken legte

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