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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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nimmst nichts davon mit dir als die Sünde, dadurch du selbigen erworben hast: Hast du denn das Glück, daß du dir deine Beuten zu nutz machen kannst, so verschwendest du der Armen Schweiß und Blut, die jetzt im Elend Mangel leiden oder gar verderben und Hungers sterben. O wie oft sehe ich, daß deine Gedanken wegen Schwere deines Amts hin und wieder zerstreut sind, und daß hingegen ich und andere Kälber ohn alle Bekümmernis ruhig schlafen; tust du solches nicht, so kostet es deinen Kopf, dafern anders etwas verabsäumet wird, das zu Konservation deiner untergebenen Völker und der Festung hätte observiert werden sollen; schaue, solcher Sorgen bin ich überhoben! Und weil ich weiß, daß ich der Natur einen Tod zu leisten schuldig bin, sorge ich nicht, daß jemand meinen Stall stürmet oder daß ich mit Arbeit um mein Leben scharmützeln müsse, sterbe ich jung, so bin ich der Mühseligkeit eines Zugochsen überhoben, dir aber stellt man ohne Zweifel auf tausendfältige Weis nach, deswegen ist dein ganzes Leben nichts anders als ein immerwährende Sorg und Schlafbrechens, denn du mußt Freund und Feind fürchten, die dich ohn Zweifel, wie du auch andern zu tun gedenkest, entweder um dein Leben oder um dein Geld oder um deine Reputation oder um dein Kommando oder um sonsten etwas zu bringen nachsinnen, der Feind setzt dir öffentlich zu und deine vermeinten Freund beneiden heimlich dein Glück; vor deinen Untergebenen aber bist du auch nicht allerdings versichert. Ich geschweige hier, wie dich täglich deine brennenden Begierden quälen und hin- und widertreiben, wenn du gedenkest, wie du dir einen noch größern Namen und Ruhm zu machen, höher in Kriegsämtern zu steigen, größern Reichtum zu sammeln, dem Feind eine Tück zu beweisen, ein oder ander Ort zu überrumpeln, und in Summa fast alles zu tun, was andere Leut geheiet und deiner Seelen schädlich, der göttlichen Majestät aber mißfällig ist! Und was das Allerärgste ist, so bist du von deinen Fuchsschwänzern so verwöhnt, daß du dich selbsten nicht kennest, und von ihnen so eingenommen und vergiftet, daß du den gefährlichen Weg, den du gehest, nicht sehen kannst, denn alles was du tust, heißen sie recht, und alle deine Laster werden von ihnen zu lauter Tugenden gemacht und ausgerufen; dein Grimmigkeit ist ihnen eine Gerechtigkeit, und wenn du Land und Leut verderben läßt, so sagen sie, du seist ein braver Soldat, hetzen dich also zu ander Leut Schaden, damit sie deine Gunst behalten und ihre Beutel dabei spicken mögen.«
    »Du Bärnhäuter«, sagte mein Herr, »wer lehret' dich so predigen?« Ich antwortet: »Liebster Herr, sage ich nicht wahr, daß du von deinen Ohrenbläsern und Daumendrehern dergestalt verderbet seiest, daß dir bereits nicht mehr zu helfen; hingegen sehen andere Leut deine Laster gar bald, und urteilen dich nicht allein in hohen und wichtigen Sachen, sondern finden auch genug in geringen Dingen, daran wenig gelegen, an dir zu tadlen: Hast du nicht Exempel genug an hohen Personen, so vor der Zeit gelebt? Die Athenienser murmelten wider ihren Simonidem, nur darum daß er zu laut redete; die Thebaner klagten über ihren Paniculum, dieweil er auswarf; die Lakedämonier schalten an ihrem Lycurgo, daß er allezeit mit niedergeneigtem Haupt daherging; die Römer vermeinten, es stünde dem Scipione gar übel an, daß er im Schlaf so laut schnarchte; es dünkte sie häßlich zu sein, daß sich Pompeius nur mit einem Finger kratzte; des Julii Caesaris spotteten sie, weil er seinen Gürtel nicht artig und lustig antrug; die Uticenser verleumdeten ihren guten Catonem, weil er, wie sie bedünkte, allzu-geizig auf beiden Backen aß; und die Karthaginenser redeten dem Hannibali übel nach, weil er immerzu mit der Brust aufgedeckt und bloß daherging. Wie dünkt dich nun, mein lieber Herr? vermeinest du wohl noch, daß ich mit einem tauschen sollte, der vielleicht neben zwölf oder dreizehen Tischfreunden, Fuchsschwänzern und Schmarotzern mehr als hundert oder vermutlicher mehr als zehntausend so heimliche als öffentliche Feind, Verleumdet und mißgünstige Neider hat? zudem, was für Glückseligkeit, was für Lust und was für Freud sollte doch ein solch Haupt haben können, unter welches Pfleg, Schutz und Schirm so viel Menschen leben? Ists nicht vonnöten, daß du für alle die Deinigen wachest, für sie sorgest, und eines jeden Klag und Beschwerden anhörest? Wäre solches allein nicht müheselig genug, wenn du schon weder Feinde

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