Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Vom Netzwerk:
politische Alamode-Cavalliers und galante Dames, sondern nur geduldige Job, Siemänner, langweilige Mönche, melancholische Pfaffen, Betschwestern, arme Bettelhuren, allerhand Auswürfling, die in der Welt weder zu sieden noch zu braten taugen, und junge Kinder, welche die Bänk überall vollhofierten. Auch log er mir vor, man nenne die Gastgeber nur darum Wirt', weil sie in ihrer Hantierung unter allen Menschen am fleißigsten betrachteten, daß sie entweder Gott oder dem Teufel zuteil würden. Vom Kriegswesen überredte er mich, daß man auch zuzeiten mit güldenen Kuglen schieße, und je kostbarer solche wären, je größeren Schaden pflegten sie zu tun; ja, sagte er, man führet' wohl ehe ganze Kriegsheer mitsamt der Artollerei, Munition und Bagage an güldenen Ketten gefangen daher! Weiters überredet' er mich von den Weibern, daß mehr als der halbe Teil Hosen trügen, ob man sie schon nicht sehe, und daß viel ihren Männern, wenn sie schon nicht zaubern könnten, noch Göttinnen wären, als Diana gewesen, größere Hörner auf die Köpf gaukelten, als Aktäon getragen; welches ich ihm alles glaubte, so ein dummer Narr war ich.
    Hingegen unterhielt mich mein Hofmeister, wenn er allein bei mir war, mit viel einem andern Diskurs; er brachte mich auch in seines Sohns Kundschaft, welcher wie hiebevor gemeldet worden bei der kursächsischen Armee ein Musterschreiber war und weit andere Qualitäten an sich hatte, als meines Obristen Schreiber; dahero mochte ihn mein Obrister nicht allein gerne leiden, sondern er war auch bedacht, ihn von seinem Kapitän loszuhandlen und zu seinem Regiments-Secretario zu machen, auf welche Stell obgemeldter sein Schreiber sich auch spitzete.
    Mit diesem Musterschreiber, welcher auch wie sein Vater Ulrich Herzbruder hieß, machte ich ein solche Freundschaft, daß wir ewige Brüderschaft zusammen schwuren, kraft deren wir einander in Glück und Unglück, in Lieb und Leid nimmermehr verlassen wollten: und weil dieses mit Wissen seines Vaters geschah, hielten wir den Bund desto fester und steifer, demnach lag uns nichts härter an, als wie wir meines Narrenkleids mit Ehren loswerden und einander rechtschaffen dienen möchten; welches aber der alte Herzbruder, den ich als meinen Vater ehrete und vor Augen hatte, nicht guthieß, sondern ausdrücklich sagte: Wenn ich in kurzer Zeit meinen Stand änderte, daß mir solches ein schweres Gefängnis und große Leib- und Lebensgefahr gebären würde. Und weil er auch sich selbst und seinem Sohn einen großen bevorstehenden Spott prognostizierte und dahero Ursach zu haben vermeinte, desto vorsichtiger und behutsamer zu leben, also wollte er sich um so viel desto weniger in einer Person Sachen mischen, deren künftige große Gefahr er vor Augen sehen konnte, denn er besorgte, er möchte meines künftigen Unglücks teilhaftig werden, wenn ich mich offenbarte, weil er bereits vorlängst meine Heimlichkeit gewußt und mich gleichsam in- und auswendig gekannt, meine Beschaffenheit aber dem Obristen nicht kundgetan hatte.
    Kurz hernach merkte ich noch besser, daß meines Obristen Schreiber meinen neuen Bruder schrecklich neidete, weil er besorgte, er möchte vor ihm zu der Sekretariatstell erhoben werden, denn ich sah wohl, wie er zuzeiten griesgramete, wie ihm die Mißgunst so gedrang tat und daß er in schweren Gedanken allezeit seufzete, wenn er entweder den alten oder den jungen Herzbruder ansah; daraus urteilte ich und glaubte ohn allen Zweifel, daß er Kalender machte, wie er ihm ein Bein vorsetzen und zu Fall bringen möchte. Ich kommunizierte meinem Bruder, beides aus getreuer Affektion und tragender Schuldigkeit, dasjenige, was ich argwöhnete, damit er sich vor diesem Judasbruder ein wenig vorsehen sollte; er aber nahm es auf die leichte Achsel, Ursach, weil er dem Schreiber sowohl mit der Feder als mit dem Degen mehr als genug überlegen war und dazu noch des Obristen große Gunst und Gnad hinweg hatte.

Das 22. Kapitel
    Ein schelmische Diebskunst, einander die Schuh auszutreten
    Weil der Gebrauch im Krieg ist, daß man gemeiniglich alte versuchte Soldaten zu Profosen macht, also hatten wir auch einen dergleichen bei unserm Regiment, und zwar einen solchen abgefeimten Erzvogel und Kernböswicht, daß man wohl von ihm sagen konnte, er sei vielmehr als vonnöten erfahren gewesen; denn er war ein rechter Schwarzkünstler, Siebdreher und Teufelsbanner, und von sich selbsten nicht allein so fest als Stahl, sondern auch überdas ein solcher Gesell,

Weitere Kostenlose Bücher