Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
neuem in Grübeln. Deornoth seufzte und schürte das Feuer.
Am Morgen ihres dritten Tages im Grasland erreichten sie das Ufer des Ymstrecca. Der breite Fluss lag fahl glänzend unter dem grauen Himmel, ein matter Streifen Silber, der wie ein Traum durch die dunklen, feuchten Wiesen rann. Die Stimme des Wassers war so gedämpft wie sein Glanz, ein schwaches Murmeln wie von fernen Gesprächen.
Josuas Begleiter waren froh, eine Pause machen und sich ein Weilchen auf den Uferböschungen ausruhen zu können. Sie genossen das Rauschen und den Anblick des ersten schnellfließenden Gewässers, das sie zu sehen bekamen, seit sie das tiefe Innere des Aldheorte verlassen hatten. Als Gutrun und Vara verkündeten, sie wollten ein kleines Stück flussab gehen und dort an einer geschützten Stelle ein Bad nehmen, erhob Josua sofort Einwände, weil er sich um ihre Sicherheit sorgte. Erst als Geloë sich erbot, mitzukommen, stimmte er widerwillig zu. Es war tatsächlich schwer, sich eine Situation vorzustellen, mit der die Zauberfrau nicht fertig würde.
»Ach, es ist fast, als wäre ich nie von hier fortgewesen«, sagte Vara und ließ die Füße in die Strömung baumeln. Sie hatten sich ein sandiges Uferstück ausgesucht, wo eine Gruppe von Birken, die mitten im Strom stand, den Flusslauf breiter machte und sie so vor den Augen der Männer weiter oben verbarg. Varas Stimme klang sorglos, aber ihr Gesicht strafte sie Lügen. »Wie damals als kleines Mädchen.« Mit finsterem Gesicht spritzte sie Wasser über ihre mit zahllosen Kratzern bedeckten Beine. »Aber so kalt!«
Herzogin Gutrun hatte den Ausschnitt ihres Kleides gelockert. Sie stand ein Stückchen vom Ufer entfernt, die rundlichen Waden vom Fluss umspült, goss sich Wasser über den Hals und schrubbte ihr Gesicht. »So schlimm ist es gar nicht«, lachte sie. »Bei uns zu Hause in Elvritshalla fließt der Gratuvask – das nenne ich kaltes Wasser! Jedes Jahr im Frühling kommen die Jungfrauen der Stadt, um im Fluss zu baden – ich habe es auch getan, als ich jung war.« Sie richtete sich auf und starrte vor sich hin. »Die Männer müssen bei Androhung von Prügelstrafe den ganzen Vormittag in den Häusernbleiben, damit die Mädchen im Gratuvask planschen können. Solch eine Kälte! Der Fluss entspringt im Schnee der Gebirge im Norden. Ihr wisst nicht, was Kreischen ist, bevor Ihr nicht gehört habt, wie an einem Avrelmorgen hundert junge Mädchen in einen eiskalten Fluss tauchen!« Sie lachte wieder. »Es gibt da eine Geschichte, wisst Ihr, von einem jungen Mann, der unbedingt die Jungfrauen im Gratuvask sehen wollte – eine berühmte Geschichte im Land der Rimmer, vielleicht kennt Ihr sie schon?« Sie brach ab. Wasser rann aus ihren hohlen Händen. »Vara? Ist Euch übel?«
Die Thrithingfrau saß zusammengekrümmt da, ihr Gesicht weiß wie Milch. »Nur ein Stechen«, antwortete sie rauh und setzte sich wieder gerade hin. »Bestimmt ist es gleich wieder vorbei. Seht, es geht mir schon besser. Erzählt Eure Geschichte.«
Gutrun betrachtete sie misstrauisch. Aber bevor die Herzogin etwas bemerken konnte, sprach Geloë, die in der Nähe am Ufer saß und mit einem Kamm aus Fischbein Leleths Haare strählte.
»Die Geschichte muss warten«, erklärte die Zauberfrau in scharfem Ton. »Seht – wir sind nicht allein.«
Vara und die Herzogin drehten sich um und sahen in die Richtung, in die sie deutete. Drei oder vier Achtelmeilen südlich von ihnen, auf der anderen Seite der Wiesen, hielt auf einem kleinen Hügel ein Reiter. Er war zu weit entfernt, als dass sie sein Gesicht hätten erkennen können, aber es gab kaum einen Zweifel, dass er zu ihnen hinüberblickte. Die Frauen starrten zurück, selbst Leleth, die ihre seltsamen Augen weit aufgerissen hatte. Nach ein paar schweigenden Sekunden, in denen kein Herz zu schlagen schien, wandte die einsame Gestalt ihr Pferd, ritt den Hügel hinab und war verschwunden.
»Wie … wie furchterregend«, sagte die Herzogin und hielt mit der nassen Hand ihren Ausschnitt zusammen. »Wer war das? Einer von diesen schrecklichen Nornen?«
»Ich kann es nicht sagen«, erwiderte Geloë rauh. »Aber wir sollten zurückgehen und den anderen Bescheid sagen, falls Josua den Mann nicht gesehen hat. Für uns ist jetzt jeder Fremde wichtig, ganz gleich, ob Freund oder Feind.«
Vara schauderte. Ihr Gesicht war immer noch blass. »Es gibt keine Fremden im Grasland, die unsere Freunde sind«, sagte sie.
Die Nachricht der Frauen genügte, Josua zu
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