Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
sehr dicht, und wir würden dich bald nicht mehr sehen.«
»Sie müsste schon sehr weit gehen, um uns nicht mehr zu hören«, bemerkte Gutrun, die Strupp sanft am Ellenbogen führte.
»Mag sein«, versetzte Josua, »aber mir wäre es trotzdem lieber, wir stolperten hier nicht im Nebel herum und verkündeten jedem, der Ohren hat, lauthals unsere Ankunft. Bestimmt habt Ihr noch nicht vergessen, wer uns das Geleit aus Naglimund gegeben hat.«
Gutrun schüttelte bekümmert den Kopf. Josua hatte recht. Vara, die das Gespräch scheinbar gar nicht beachtet hatte, war nur noch als vager, aufrechter Schatten sichtbar, der durch den Nebel glitt wie ein Geist.
»Verdammt sei ihre Sturheit«, fluchte Josua grimmig und sah ihr nach.
»Ich werde sie begleiten.« Geloë wandte sich an Gutrun. »Haltet das Kind dicht bei Euch, bitte.« Sie drehte Leleth in die ungefähre Richtung der Herzogin und folgte der sich im Nebel auflösenden Gestalt.
Josua schaute zu, wie sie ausschritt, und lachte dann traurig. »Wenn ich so über ein Königreich von neun oder zehn Untertanen regiere«, sagte er zu Deornoth, »dann kann mein Bruder in aller Ruhe auf dem Drachenbeinthron sitzen bleiben. Einst haben die Menschen meinen Vater Johan darum gebeten, seine Befehle erfüllen zu dürfen.«
Auch seine Königin? , dachte Deornoth, sprach es aber nicht aus. Er sah, wie Geloës dunkle Gestalt das Gespenst einholte, das Vara hieß. Wenn man eine stolze und eigenwillige Frau hat, sollte man seinen Erfolg nicht an ihrem Gehorsam messen.
»Bitte, Herr«, sagte er laut, »schmäht Euch nicht selbst. Ihr seid hungrig, müde und verfroren. Lasst mich ein Feuer anzünden.«
»Nein.« Josua rieb sich den Armstumpf, als schmerze er ihn. »Wir werden nicht lange hierbleiben.« Er blickte zurück zum Waldrand und auf die gähnenden Schatten zwischen den Bäumen. »Wir müssen erst noch ein Stück vorankommen, bevor wir mehr als nur eine kurze Rast halten können. Wir suchen uns einen Platz, an dem wir ringsum offenes Gelände haben. Dann kann uns zwar jeder sehen, aber allen, die uns jagen, geht es genauso.«
»Ein reizender Gedanke«, brummte der im Gras sitzende Sangfugol. »Bei Gott, was sind wir doch für eine fröhliche Pilgerschar.«
»Pilger auf der Fahrt zur Hölle können sich nicht viel Fröhlichkeit erlauben«, erwiderte Josua und ging ein paar Schritte in die grüne Wiese hinein, um dort tief in Gedanken stehen zu bleiben.
»Aber warum sagt Ihr es ihm nicht?« Geloës Stimme klang ärgerlich, aber die falkengleichen Augen verrieten keine Gefühle. »Bei Baum und Borke, Vara, Ihr seid kein junges Mädchen, sondern eine erwachsene Frau. Warum stellt Ihr Euch so an?«
Vara hatte feuchte Augen. »Weiß nicht. Ich verstehe ihn nicht.«
Geloë schüttelte den Kopf. »Ich verstehe Euch manchmal alle nicht. Ich habe nur einen kleinen Teil meines Lebens unter dem Menschenvolk verbracht, eben wegen dieser lächerlichen Unsicherheit – ›Ich will dies, ich will das nicht‹. Die Tiere, so scheint mir, besitzen mehr Vernunft. Sie tun, was sie müssen, und grämen sich nicht um Dinge, die niemand ändern kann.« Die Zauberfrau legte Vara die schwielige Hand auf den Arm. »Was sorgt Ihr Euch um Unwichtigkeiten? Dass Prinz Josua Euch liebt, ist offensichtlich. Warum sagt Ihr ihm nicht die Wahrheit?«
Ihre Gefährtin seufzte. »Er hält mich für ein dummes Mädchen von den Wagen. Es macht ihn kalt zu mir. Wenn ich es ihm sage, wird es nur noch schlimmer werden … verzeiht mir.«
Zornig wischte sie sich mit dem Ärmel das Gesicht ab. »Es kommt daher, dass ich die Feluwelt wiedergesehen habe – so nennt mein Volk dieses Gebiet, in dem die Wiese im Schatten des Waldes liegt. Mir ist so vieles wieder eingefallen, das mich unglücklich macht …«
»Valada Geloë?« Es war Vater Strangyeards Stimme, ursprungslos im Nebel, jedoch ganz nahe. »Seid Ihr dort? Valada Geloë?«
Gelinder Ärger zeigte sich in Geloës strengen Zügen. »Hier, Strangyeard. Stimmt etwas nicht?«
Der Archivar erschien, eine schlaksige, schlotternde Gestalt aus dem trüben Grau. »Nein, nein, ich wollte nur …« Er hielt inne und sah auf Varas tränenüberströmtes Gesicht. »Oh. Oh, es tut mir so schrecklich leid. Wie unhöflich von mir. Ich verlasse Euch sofort.« Er machte kehrt und wollte wieder in den Nebel hineinstolpern.
»Geht nicht!« Es war Vara, die ihn rief. »Verlasst uns nicht, Vater. Begleitet uns.«
Strangyeard betrachtete erst sie, dann Geloë. »Ich
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