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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nach Moschus riechenden Rimmersgard-Bier. Damit brachten sie ein Essen zustande, von dem alle satt wurden, wenn auch nur knapp, denn die Kinder zählten über ein Dutzend Köpfe.
    Während der Mahlzeit hatte Binabik wenig Gelegenheit, Fragen zu stellen. Diejenigen von Skodis Zöglingen, die alt genug waren, allein nach draußen zu gehen, standen nacheinander auf und erzähltenfantastische Geschichten von Abenteuern, die sie tagsüber erlebt haben wollten, Geschichten, die so völlig übertrieben klangen, dass sie offensichtlich unwahr sein mussten. Ein kleines Mädchen berichtete, sie sei auf die Spitze einer mächtigen Kiefer geflogen, um einem verzauberten Häher eine Feder zu stehlen. Einer der älteren Jungen schwor, in einer Höhle im Wald eine Truhe mit dem Gold menschenfressender Riesen gefunden zu haben. Als Vren an die Reihe kam, teilte er seinen Zuhörern gelassen mit, dass ihn beim Eichelsammeln ein Eisdämon mit funkelnden blauen Augen verfolgt und nur Simon und dessen Begleiter ihn aus den Klauen jenes frostigen Ungeheuers errettet und es mit den Schwertern zerschmettert hätten, bis es zu Eisbrocken zerbarst.
    Beim Essen hielt Skodi die kleinen Kinder auf dem Schoß, eines nach dem anderen, und lauschte jeder einzelnen Geschichte mit einer Miene neiderfüllter Spannung. Die Erzähler, deren Erfindungen ihr am besten gefielen, belohnte sie mit Extrahäppchen, die gierig verschlungen wurden – tatsächlich, dachte Simon, war wohl die Belohnung der Hauptgrund für den fabelhaften Inhalt der Erzählungen.
    Etwas in Skodis Gesicht fesselte ihn. Trotz ihres gewaltigen Umfangs hatten ihre mädchenhaften Züge etwas Zierliches, und in ihrem Blick und ihrem Lächeln lag ein Strahlen, das ihn berührte. Manchmal, wenn sie atemlos über die Erfindungen der Kinder lachte oder sich so drehte, dass der Schein des Feuers schimmernd mit ihrem Flachshaar spielte, schien sie ihm schön; dann wieder, wenn sie einem der kleineren Kinder gierig eine Handvoll Beeren wegriss und sich selber in den breiten Mund stopfte oder ihre verzückte Hingabe an die gerade erzählte Geschichte ihrem Gesicht einen fast schwachsinnigen Ausdruck gab, fand er sie abstoßend.
    Ein paarmal erwischte sie Simon, als er sie anstarrte. Die Blicke, die sie ihm zurückgab, machten ihm ein wenig Angst und ließen ihn erröten. Bei all ihrer Fülle lag in Skodis Augen ein Hunger, der eher zu einem ausgemergelten Bettler gepasst hätte.
    »So«, meinte sie, als Vren seine wilde Geschichte beendet hatte, »ihr seid also noch viel tapferer, als ich gedacht hatte.« Sie schenkte Simon ein breites Lächeln. »Heute Nacht werden wir gut schlafen,weil wir euch unter unserem Dach wissen. Ihr nehmt doch sicher nicht an, dass Vrens Eisdämon noch Brüder hat, oder?«
    »Ich denke nicht, dass es wahrscheinlich ist«, entgegnete Binabik mit mildem Lächeln. »Ihr braucht Euch vor keinem solchen Dämon zu fürchten, solange wir in Eurem Heim weilen. Als Gegenleistung wissen wir Euch großen Dank für ein Dach über unserem Kopf und einen Kamin zum Wärmen.«
    »O nein«, antwortete Skodi mit großen Augen, »ich bin es, die dankbar ist. Wir haben hier nicht viele Gäste. Vren, hilf mir, eine Stelle freizuräumen, an der die Männer schlafen können. Vren! Hörst du?«
    Vren starrte Simon durchbohrend an, einen unergründlichen Ausdruck in den dunklen Augen.
    »Eure Erwähnung von Gästen, Herrin«, begann Binabik, »lässt mich an eine Frage denken, die ich Euch stellen wollte. Wie kommt es, dass Ihr und diese Kinder in eine solche Einöde gelangt seid?«
    »Die Stürme kamen. Alle rannten fort. Wir hatten keinen Ort, an den wir gehen konnten.« Ihre knappen Worte verbargen nur schlecht eine Verletzung, die sie erlitten haben musste. »Niemand von uns war erwünscht – keines der Kinder, und Skodi auch nicht.« Nach dieser Feststellung wurde ihre Stimme wieder wärmer. »Die Kleinen müssen jetzt ins Bett. Kommt alle und helft mir auf!« Mehrere ihrer Schützlinge eilten herbei, um sie zu stützen und den massigen Leib aus dem Sessel zu heben. Während sie langsam auf die Tür an der Rückwand des Raums zuging, ein paar schlafende Kinder an sie geklammert wie Fledermausjunge, rief sie den Gefährten zu: »Vren wird euch helfen, euch zurechtzufinden. Bring die Kerze mit, wenn du kommst, Vren!« Sie verschwand in den Schatten.
    In der Tiefe der Nacht erwachte Simon aus unruhigem Schlaf. Die rötliche, sternlose Finsternis und ein fadendünner Laut, der sich durch

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