Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
nachließen, verstärkte den Griff um den kleineren Feind, lächelte und zog Josua mit einer fast rituell langsamen Bewegung an sich. Qualvoll strafftensich Josuas Muskeln, doch die gebogene Klinge wanderte unerbittlich immer weiter nach oben, bis sie fast zärtlich Josuas Hals berührte.
Das Rufen der Menge verstummte. Irgendwo am Himmel stieß ein Kranich seinen rasselnden Schrei aus. Dann legte sich wieder Schweigen über den Platz.
»Jetzt«, brach der Thrithingmann frohlockend sein langes Schweigen, »tötet dich Utvart.«
Josua gab unvermittelt allen Widerstand auf und warf sich seinem Feind in die Arme, wobei er den Kopf ruckartig zur Seite schnellte. Die gebogene Klinge glitt außen an seinem Hals entlang und schnitt ihm tief ins Fleisch, aber in dem Bruchteil einer Sekunde, in dem er sich frei bewegen konnte, rammte der Prinz Utvart das Knie zwischen die Beine.
In schmerzhafter Überraschung stöhnte der Thrithingmann auf. Josua hakte ihm seinen Fuß um die Wade und zog. Utvart verlor das Gleichgewicht und kippte nach hinten. Josua stürzte mit ihm; die Klinge des anderen sauste an seiner Schulter vorbei. Utvart fiel zu Boden und stieß keuchend den Atem aus. Schlangengleich glitt Naidel aus der Scheide. Die Spitze fuhr dem Thrithingmann unter das Kinn und eine Handlänge weiter nach oben, durch den Kiefer tief in den Schädel.
Josua wand sich aus Utvarts krampfhafter Umklammerung und kam mühsam auf die Füße. Von seinem Körper tropfte es scharlachrot. So blieb er einen Augenblick stehen. Seine Beine zitterten, die Arme hingen schlaff und hilflos herunter. Er starrte auf den Leichnam.
»Großer Mann«, keuchte er, »du warst es, der zu viel geredet hat.«
Er verdrehte die Augen unter den Lidern und stürzte schwer über die Brust seines Gegners. So lagen sie beieinander, ihr Blut mischte sich, und es schien, als ob sich im ganzen Grasland lange Zeit nichts regte und kein einziges Wort fiel. Dann begannen die Rufe.
Dritter Teil Sturmherz
18
Der verschollene Garten
ange schwebte Simon in lautloser, samtweicher Leere, bevor er endlich in das dämmernde Grenzland zwischen Schlafen und Wachen zurückkehrte. Er fand sich im Dunkeln wieder, am Rande eines Traums. Erneut sprach eine Stimme in seinem Kopf wie bei der alptraumhaften Flucht aus Skodis Kloster. Irgendetwas hatte eine Tür in ihm geöffnet, und nun schien es, als könne dort eintreten, wen immer es danach verlangte.
Doch dieser ungebetene Gast war nicht das Flammenwesen, das ihn so gepeinigt hatte, jener Scherge des Sturmkönigs. Die neue Stimme war von der grausigen anderen so verschieden wie die Lebenden von den Toten. Die neue Stimme spottete nicht und drohte nicht, ja, es war, als spreche sie überhaupt nicht zu Simon.
Es war eine weibliche Stimme, melodisch und kräftig zugleich, und sie leuchtete in Simons Traum hinein wie ein Signalfeuer. Auch wenn ihre Worte traurig klangen, erfüllten sie ihn doch mit einem sonderbar tröstlichen Gefühl. Zwar wusste Simon, dass er schlief und jeden Augenblick wieder in die Welt der Wirklichkeit zurückkehren konnte, aber die Stimme zog ihn so in ihren Bann, dass er zum Aufwachen nicht die geringste Lust spürte. Er erinnerte sich an das weise, schöne Gesicht aus Jirikis Spiegel und war zufrieden, an der Schwelle des Wachwerdens zu verharren, denn als sich die Tür in Simons Inneres geöffnet hatte, war es die Frau aus dem Spiegel gewesen, die Einlass fand. Dafür war Simon unendlich dankbar. Er erinnerte sich noch an die Drohungen der Roten Hand, und selbst schlafend spürte er den Frost an sein Herz rühren.
»Geliebter Hakatri, mein schöner Sohn«, sagte die Frauenstimme, »wie sehr du mir doch fehlst. Ich weiß, dass du mich nicht mehr hören und mirnicht antworten kannst, aber dennoch muss ich zu dir sprechen, als stündest du vor mir. Allzu viele Jahre hat unser Volk das Jahr-Ende getanzt, seit du in den Westen gingst. Herzen erkalten, und noch mehr erkaltet die Welt.«
Simon begriff, dass die Stimme zwar in seinem Traum sang, die Worte aber nicht für ihn bestimmt waren. Er kam sich vor wie ein Bettelkind, das durch eine Mauerspalte heimlich eine reiche und mächtige Familie beobachtet. Doch so, wie eine reiche Familie Sorgen haben kann, von denen ein Bettler nichts ahnt – Elend, das mit Hunger, Kälte oder körperlichen Schmerzen nichts zu tun hat –, so schien auch die majestätische Stimme in Simons Traum von unausgesprochener Pein niedergedrückt.
»F ast scheint es, als habe
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