Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Schatten, in denen sich noch immer der Mönch versteckte. »Und das gilt auch für dich, Mann. Warum lungerst du hier in diesem Laderaum herum?«
Als von beiden blinden Passagieren keine Antwort kam, schüttelte sie den Kopf. »Dann muss ich wohl doch den Schiffsherrn rufen …«
»Nein, bitte«, begann Miriamel. »Kommt heraus, Cadrach. Niskies haben scharfe Ohren.« Sie setzte ein, wie sie hoffte, versöhnliches Lächeln auf. »Wenn wir gewusst hätten, dass du es warst, hätten wir uns gar nicht erst angestrengt. Es ist sinnlos, sich vor einer Niskie verstecken zu wollen.«
»Allerdings.« Ihre Entdeckerin nickte zufrieden. »Nun sagt mir, wer ihr seid.«
»Malachias …« Miriamel hielt inne und begriff, dass sie bereits als Mädchen erkannt worden war. »Genauer gesagt, Marya. Das bin ich. Mein Begleiter heißt Cadrach.« Der Mönch kroch brummend unter einem dicken Haufen Segeltuch hervor.
»Gut.« Die Niskie lächelte mit schmalen Lippen. »Ich bin Gan Itai. Mein Schiff ist die Eadne-Wolke. Ich singe die Kilpa zur Ruhe.«
Cadrach starrte sie an. »Du singst die Kilpa zur Ruhe? Was soll das bedeuten?«
»Ihr sagtet doch, Ihr wärt ein weitgereister Mann«, unterbrach ihn Miriamel. »Jeder weiß, dass man Schiffe nicht durchs tiefe Wasser führen kann, ohne eine Niskie an Bord zu haben, deren Lieder die Kilpa fernhalten. Ihr wisst doch, was Kilpa sind!«
»Ich habe von ihnen gehört«, nickte Cadrach knapp. Wieder sah er Gan Itai neugierig an. Sie wiegte sich lauschend hin und her. »Ihr gehört zu den Tinukeda’ya, nicht wahr?«
Der Mund der Niskie weitete sich zu einem zahnlosen Lächeln.
»Wir sind Kinder des Seefahrers, ja. Vor langer Zeit kehrten wir zum Meer zurück, und am Meer sind wir geblieben. Jetzt sagt Gan Itai, was ihr auf diesem Schiff vorhabt.«
Miriamel blickte auf Cadrach, aber der Mönch schien in Gedanken versunken. Im Fackelschein glänzte sein blasses Gesicht von Schweißperlen. Ob es am Schock des Entdecktwerdens lag oder andere Ursachen hatte, der Nebel seines Rauschs schien jedenfalls verflogen. Die kleinen Augen waren besorgt, aber klar. »Wir können dir nicht alles erklären«, sagte die Prinzessin zu der Niskie. »Wir haben nichts Unrechtes getan, aber unser Leben ist in Gefahr, darum verstecken wir uns.«
Gan Itais große Augen wurden schmal, und sie kräuselte nachdenklich die Lippen. »Ich muss dem Schiffsherrn eure Anwesenheit melden«, meinte sie endlich. »Wenn es falsch ist, tut es mir leid, aber meine Treue gilt vor allem der Eadne-Wolke. Blinde Passagiere müssen immer gemeldet werden. Meinem Schiff darf kein Schaden zugefügt werden.«
»Wir würden dem Schiff ganz bestimmt nicht schaden«, versicherte Miriamel verzweifelt, aber die Niskie eilte bereits nach der Leiter, und ihre Behendigkeit strafte die scheinbare Gebrechlichkeit Lügen.
»Ich bedaure, aber ich muss meine Pflicht tun. Ruyans Volk hat Gesetze, die nicht gebrochen werden dürfen.« Sie schüttelte den Kopf und verschwand durch die Luke. Für einen Augenblick konnte Miriamel draußen ein Stück vom dämmernden Morgenhimmel sehen, dann krachte der Lukendeckel wieder herunter.
Miriamel sank gegen ein Fass. »Elysia, steh uns bei. Was sollen wir tun? Wenn dieses Schiff nun Feinden gehört?«
»Soweit es mich betrifft, sind Schiffe an sich schon meine Feinde.« Cadrach zuckte schicksalsergeben die Achseln. »Dass ich uns auf einem versteckt habe, war eine unsägliche Dummheit von mir. Und was das Entdecktwerden angeht …«, er wedelte geringschätzig mit der rundlichen Hand. »Sobald das Schiff tatsächlich in See stach, war es unvermeidlich. Aber alles ist besser als die Sancellanische Ädonitis.« Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Meinem Magen geht es schrecklich. Wie ein weiser Mann einmal festgestellt hat: Es gibt drei Arten von Menschen – die Lebenden, die Toten und die auf See.« Sein Ausdruck des Abscheus verwandelte sich. Er wurde nachdenklich. »Aber Niskies! Ich habe eine lebendigeTinukeda’ya gesehen! Bei den Gebeinen des Anaxos, was für sonderbare Geschichten gibt es auf der Welt.«
Bevor Miriamel ihn fragen konnte, was er damit meinte, hörten sie über sich an Deck das Stampfen schwerer Stiefel. Tiefe Stimmen sprachen, dann knarrte der Lukendeckel auf, und der Raum war plötzlich voller Fackellicht und langer Schatten.
Maegwin saß in einer bröckelnden, uralten Arena, inmitten einer geheimnisvollen, tief im Herzen eines Berges verborgenen Stadt, Auge in Auge mit
Weitere Kostenlose Bücher