Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Herns«, sagte er langsam, »wir sind nicht unsterblich. Es stimmt, dass wir weit länger leben als ihr Menschen, sofern eure Rasse sich nicht sehr verändert hat. Aber anders als die Zida’ya und Hikeda’ya – die Sithi und Nornen – leben wir nicht endlos fort, ewig wie die Berge. Nein, der Tod kommt zu uns wie zu euch, als Dieb und Räuber.« Eine Spur von Zorn trat in sein Gesicht. »Vielleicht waren unsere Gebieter von einst schon damals im Garten unserer alten Sagen, aus dem alle Erstgeborenen stammen, von etwas anderem Blut als wir; vielleicht sind wir von kurzlebigerer Art. Beides ist möglich. Aber vielleicht gab es auch wirklich ein Geheimnis, in das wir nicht eingeweiht wurden, denn schließlich waren wir für sie nie mehr als Diener und Vasallen.«
Er drehte sich zu seiner Gattin um und berührte sanft ihre Wange. Yis-hadra barg ihr Gesicht an seiner Schulter, der lange Hals anmutig wie ein Schwanenhals. »Manche von uns starben, andere gingen fort, und die Kunst der Zeugen verschwand mit ihnen.«
Verwirrt schüttelte Eolair den Kopf. »Ich lausche dir aufmerksam, Yis-fidri, aber ich fürchte, dass ich noch immer nicht alle Rätsel in deinen Worten verstehe. Diese Stimme, die aus dem Stein zu uns sprach – die du die Großmutter der Sithi nennst –, sagte uns, dass man auf der Suche nach Großen Schwertern ist. Was aber hat Prinz Josua damit zu tun?«
Yis-fidri hob die Hand. »Begleitet uns an einen Ort, an dem wir uns besser unterhalten können. Ich sorge mich, dass eure Anwesenheit einige unseres Volkes in Unruhe versetzt hat. Es ist lange her, dass Sudhoda’ya unter uns weilten, länger als das Leben der meisten von uns währt.« Er stand auf, begleitet vom Knarren seiner Lederbekleidung, und streckte die dünnen Glieder wie eine Heuschrecke, die an einem Weizenhalm hinaufklettert. »Wir können in der Halle der Muster weiterreden.« Seine Miene bat um Entschuldigung für die Unterbrechung. »Außerdem, Kinder Herns, bin ich müde und hungrig.« Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Ich habe seit langer, langer Zeit nicht mehr so viel gesprochen.«
Imai-an und Sho-vennae blieben zurück, vielleicht um ihren scheuen Gefährten zu erklären, was für Geschöpfe diese Sterblichen waren. Maegwin sah, wie sich die anderen Unterirdischen in der Mitte des Beckens zu einer Gruppe versammelten, dicht aneinandergedrängt im wechselnden Licht des Scherbens. Vor kaum einer Stunde war sie noch von überschäumender Vorfreude und Erregung erfüllt gewesen, jetzt freute sie sich, die Arena hinter sich zu lassen. Das Gefühl des Wunders hatte sich in Unbehagen verwandelt. Ein Bauwerk wie die Stätte des Zeugen sollte unter einem freien Himmel voller Sterne liegen wie die Kampfbahnen von Nabban oder das große Theater in Erchester, nicht versteckt unter einem Firmament aus totenschwarzem Basalt. Für die Hernystiri gab es hier ohnehin keine Hilfe.
Yis-fidri und Yis-hadra führten sie durch die verödeten Gassen von Mezutu’a. Ihre Kristallstäbe glühten in der trüben Finsternis wie Irrlichter, als sie sich durch die schmalen Straßen schlängelten, über breite, hallende Plätze schritten und eiszapfenschmale Brücken überquerten, unter denen nur schattendunkle Leere gähnte.
Die Lampen, die Maegwin und Eolair in die unterirdische Stadt mitgebracht hatten, flackerten und gingen aus. Nur noch der milde, rosige Schein der Stäbe spendete Licht. Es machte die Umrisse von Mezutu’a weicher als die Helligkeit der Lampen und rundete die scharfen Kanten ab, als hätten Wind und Regen sie verwittern lassen. Doch Maegwin wusste, dass hier im Innern der Erde kein Wetter auf die uralten Mauern eingewirkt hatte.
Immer wieder merkte sie, dass ihre Gedanken von diesen wunderbaren und seltsamen Dingen abschweiften und um die so bitter enttäuschten Erwartungen kreisten. Es gab hier keine Sithi. Und wenn die noch lebenden Friedlichen ein so armseliges Häuflein wie die Unterirdischen um Hilfe anriefen, ging es ihnen wahrscheinlich noch schlechter als Maegwins Hernystiri.
Das bedeutete das Ende ihrer Hoffnung auf eine Hilfe von außen. Es gab nur dann Rettung für ihr Volk, wenn ihr selber etwas einfiel. Warum aber hatten die Götter ihr solche Träume geschickt ? Nur um sie im nächsten Augenblick wieder in Stücke zu hauen? Hatten Brynioch, Mircha, Rhynn und alle anderen sich wirklich von Hernystir abgewandt? Viele Angehörige ihres Volkes, die sich oben in den Höhlen versteckten, hielten es bereits für
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