Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Kopf, als wollte er betonen, wie wichtig das alles war. »Ohne uns hätte es keine Schiffe gegeben. Wir alle, Herren und Diener, wären ins Nicht-Sein eingegangen.« Er blinzelte und sah sich um. Das Feuer in seinen Augen war schon wieder erloschen. »Kommt, Kinder Herns«, forderte er sie auf. »Gehen wir hinunter in die Banipha-sha-zé – die Halle der Muster.«
Seine Frau Yis-hadra winkte ihnen und geleitete Maegwin und den Grafen um den erstarrten grauen Ozean herum zur Rückseite der Kuppel, die nicht genau im Mittelpunkt des Grabens saß, ähnlich dem Dotter in einem Ei. Eine Rampe wand sich hinab in schattendunkle Tiefen.
»Hier wohnen mein Gatte und ich«, sagte Yis-hadra. Sie sprach das Hernystiri zögernder als ihr Mann. »Wir sind die Hüter dieses Ortes.«
Das Innere der Halle der Muster war finster, aber Yis-hadra, die vor ihnen eintrat, strich über die Wände, und wo ihre langen Finger sie berührten, begannen die Steine ein blasses Licht auszustrahlen, dessen Farbe gelblicher war als das Leuchten der Stäbe.
Maegwin sah Eolairs scharfes Profil an ihrer Seite. Es wirkte geisterhaft und wie im Traum. Langsam spürte sie die Last des langen, anstrengenden Tages; ihre Knie gaben allmählich nach, ihre Gedankenverloren an Schärfe. Wie hatte Eolair nur zulassen können, dass sie solche Dummheiten machte, fragte sie sich. Er hätte sie besser… was hätte er … was hätte er tun sollen? Sie bewusstlos schlagen? Sie strampelnd und kreischend nach oben zurückschleppen? Dafür hätte sie ihn gehasst. Maegwin fuhr sich mit der Hand durch das verfilzte Haar. Wenn doch nur alle diese schrecklichen Dinge niemals geschehen wären! Wenn nur das Leben im Taig auf seine unscheinbare, närrische Art weitergegangen wäre – ihr Vater und Gwythinn am Leben, der Winter dort, wo er hingehörte …
»Maegwin!« Der Graf nahm ihren Ellenbogen. »Ihr hättet Euch fast den Kopf am Türrahmen gestoßen!«
Sie schüttelte seine Hand ab, bückte sich und schritt hindurch. »Ich habe es gesehen.«
Nachdem Yis-hadra weitere Steine mit ihrer Berührung zu leuchtendem Leben erweckt hatte, wurde das Innere des Raums allmählich sichtbar. Er war kreisrund. Alle paar Schritte durchbrach eine niedrige Türöffnung die Wände. Die Türen waren aus behauenem Stein und hingen in blind gewordenen Angeln aus Bronze. Sie waren bedeckt mit einer Runenschrift, wie Maegwin sie noch nie gesehen hatte, einer anderen Schrift als oben auf dem großen Tor, das sie zuerst auf dem Weg nach Mezutu’a durchschritten hatten.
»Nehmt Platz, wenn es euch beliebt«, lud sie Yis-fidri ein und wies auf eine Reihe von Sitzen aus Granit, feste, massive Erhebungen, die wie Pilze um einen niedrigen Steintisch herum aus dem Boden wuchsen. »Wir werden eine Mahlzeit bereiten. Wollt ihr mit uns speisen?«
Eolair sah auf Maegwin; die aber tat, als blicke sie gerade nach der anderen Seite. Sie war schrecklich müde, verwirrt und voller Reue. Es gab keine Sithi hier unten. Die gebeugten, kränklichen Unterirdischen waren gegen Männer wie Skali und König Elias keine Hilfe. Nichts war von ihnen zu erwarten.
»Du bist sehr gütig, Yis-fidri«, antwortete der Graf für sie. »Wir freuen uns, an deiner Tafel sitzen zu dürfen.«
Mit viel Aufwand wurde eine dünne Lage von Kohlen in einem in den Steinboden eingelassenen Trog in Brand gesetzt. Yis-fidris ängstliche Besorgtheit ließ ahnen, dass Brennstoff wie dieser schwer zu finden war und besonderen Gelegenheiten vorbehalten blieb.
Maegwin konnte nicht umhin, die seltsam anmutigen Bewegungen der Unterirdischen zu bemerken, als die beiden die Zutaten für das Essen herbeiholten. Trotz ihres unbeholfenen, steifgliedrigen Ganges schritten sie mit einer sonderbar tänzerischen Geschmeidigkeit durch die beiden Türen am anderen Ende des Raums, glitten um Hindernisse herum und schienen einander im Vorübergehen mit ihrer musikalisch dahinplätschernden Sprache fast zu liebkosen. Maegwin begriff, dass sie ein uraltes Liebespaar vor sich hatte, beide altersschwach, aber so aufeinander eingespielt, dass sie wie zwei Glieder desselben Körpers geworden waren. An den seltsam eulenäugigen Anblick der Unterirdischen hatte sie sich inzwischen gewöhnt und beobachtete nun ihre wortlose Harmonie, überzeugt davon, dass sie wirklich waren, was sie zu sein schienen – ein Paar, das Kummer und Leid erlebt haben mochte, deren gemeinsames Glück jedoch Jahrhunderte überdauert hatte.
»Kommt jetzt«, forderte Yis-fidri sie
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