Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
gefährlich, sich gegen Skalis Erobererheer auch nur zu wehren, so als richte sich der Wille der Götter so eindeutig gegen Lluths Stamm, dass jeder Widerstand die Sendboten des Himmels beleidigen musste. War das die Lehre, die sie ziehen sollte, sowohl aus ihren Träumen von den verschollenen Sithi als auch aus der Wirklichkeit von Yis-fidris verängstigten Gefährten? Hatten die Götter sie nur hierhergeführt, um ihr zu zeigen, dass auch die Hernystiri schon bald vergehen würden, wie die stolzen Sithi und kunstfertigen Unterirdischen?
Maegwin straffte die Schultern. Sie würde sich von solch trüben Gedanken nicht entmutigen lassen. Sie war Lluths Tochter – die Tochter des Königs. Sie würde sich etwas einfallen lassen. Ihr Irrtum lag darin, dass sie sich auf schwache, irdische Wesen verlassen hatte, Menschen oder auch Sithi. Die Götter waren es, die ihr eine Botschaft senden würden. Sie würden – sie mussten – ihr ein neues Zeichen geben, irgendeinen Plan, so verzweifelt die Lage auch aussah.
Ihr Seufzer trug ihr einen teilnehmenden Blick von Eolair ein.
»Herrin? Seid Ihr unwohl?«
Sie winkte seine Besorgtheit beiseite.
»Einst war diese Stadt hell erleuchtet«, erklärte Yis-fidri plötzlich und deutete mit der überlangen Hand. »Das ganze Herz des Berges funkelte, o ja.«
»Wer wohnte hier, Yis-fidri?«, fragte der Graf.
»Unser Volk. Tinukeda’ya. Aber die meisten von uns sind längstverschwunden. Einige wenige leben noch hier, und ein paar andere haben in Hikehikayo gewohnt, im nördlichen Gebirge, einer kleineren Stadt als dieser.« Er verzog das Gesicht. »Bis sie gezwungen wurden, von dort fortzugehen.«
»Gezwungen? Wodurch?«
Yis-fidri schüttelte den Kopf und trommelte mit den Fingern auf sein langes Kinn. »Das zu erzählen wäre falsch von mir. Von Übel wäre es, Herns unschuldige Kinder mit unserem Unheil zu beladen. Habt keine Furcht. Die wenigen von uns, die dort geblieben waren, flohen und ließen das Böse hinter sich zurück.«
Seine Gattin Yis-hadra machte eine Bemerkung in der schwebenden Sprache der Unterirdischen.
»Wahr, es ist wahr«, bestätigte Yis-fidri bedauernd und blinzelte mit den riesigen Augen. »Unsere Leute verließen diese Berge, und wir hoffen , dass sie damit auch das Böse hinter sich ließen.«
Eolair warf Maegwin einen Blick zu, als wollte er ihr etwas damit sagen. Der größte Teil des Gesprächs war an ihr vorübergerauscht. Sie war mit den drängenderen Problemen ihres eigenen heimatlosen Volkes beschäftigt gewesen. Traurig lächelte sie, um dem Grafen von Nad Mullach zu zeigen, dass sein mühsamer Versuch, weitere Einzelheiten in Erfahrung zu bringen, nicht unbemerkt oder ungewürdigt geblieben war. Dann verfiel sie erneut in stummes Sinnen.
Graf Eolair musterte Lluths Tochter besorgt, um sich dann wieder den Unterirdischen zuzuwenden. »Könnt ihr mir sagen, um was für ein ›Böses‹ es sich handelt?«
Yis-fidri schaute ihn nachdenklich an. »Nein«, versetzte er endlich. »Ich habe nicht das Recht, euch in diese Dinge einzuweihen, selbst wenn ihr zu den hochgestellten Persönlichkeiten unter den Euren zählt. Vielleicht dürft ihr mehr erfahren, nachdem ich längere Zeit über dies alles nachgedacht habe. Bis dahin begnügt euch bitte mit dem, was ihr wisst.« Er wollte nichts weiter dazu sagen.
Still bis auf das leise Geräusch ihrer Schritte bewegte die seltsame Prozession sich weiter durch die alte Stadt, und ihre Lichter tanzten wie Glühwürmchen in der Dunkelheit.Die Halle der Muster war ein Kuppelbau von nur geringfügig kleineren Ausmaßen als die Stätte des Zeugen. Sie lag tief unten inmitten eines Waldes von Türmen und war von einem Ring aus Felsen umgeben, die den Wogen einer anbrandenden See ähnelten. Die Kuppel selbst war gerillt wie eine Meeresmuschel und bestand aus einem hellen Gestein, das zwar nicht leuchtete wie die Rosenkristallstäbe, aber von innen heraus matt zu glänzen schien.
»Der unendliche und ewige Ozean«, erläuterte Yis-fidri und deutete auf die spitzen Steinwellen. »Die Heimat unserer Geburt war eine Insel im allesumgebenden Meer. Wir Tinukeda’ya bauten die Schiffe, die alle im Garten Geborenen über das große Wasser brachten. Ruyan Vé, der Größte unseres Volkes, lenkte die Schiffe und führte uns in dieses Land, wo wir vor der Zerstörung Schutz fanden.« Die riesigen Augen des Unterirdischen leuchteten auf, und seine Stimme bekam einen triumphierenden Klang. Energisch wackelte er mit dem
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