Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Umhüllung sichtbar waren, ließen sich Schneeflocken nieder, nur um sofort wieder herunterzugleiten. Der Schnee mied die Klinge. »Aber es macht uns die Entscheidung schwerer. Wären der Junge und das Schwert zusammengeblieben, hätten wir keine andere Wahl, als weiterzusuchen.«
Binabik blickte zornig auf. »Von welcher ›Entscheidung‹ sprichst du?«
»Wir dürfen für den Jungen nicht alles andere aufgeben, Troll. Ich habe ihn gern, der gute Gott weiß es, aber wir müssen unsere Pflicht gegenüber Prinz Josua erfüllen. Du und die anderen Bücherleser sagen immer wieder, dass Josua diese Klinge braucht, weil wir sonst alle verloren sind. Dürfen wir das vergessen, um nach einem verlorenen Jungen suchen? Dann wären wir törichter, als der Junge selbst es ist, weil er sich überhaupt verirrt hat.«
»Simon ist nicht töricht.« Binabik vergrub einen langen Augenblick das Gesicht in Qantaqas Halsmähne. »Und ich bin es müde, ein Eidbrecher zu sein. Ich schwor, ihn zu schützen.« Der Wolfspelz erstickte die Stimme des Trolls, die Anspannung in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Wir sind gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen, Troll.«
Binabik sah ihn an. Sein sonst so milder brauner Blick war hart wie Stein geworden. »Sprich mir nicht von Entscheidungen. Lehr mich nicht, was Schwierigkeiten sind. Nimm das Schwert. BeimGrab meines Meisters schwor ich Simon zu beschützen. Nichts ist wichtiger für mich.«
»Dann bist du der größte Narr von allen«, grollte Sludig. »Nur wir beide, du und ich, sind übriggeblieben, und um uns herum gefriert die Welt. Willst du mich mit dem Schwert, das dein und mein Volk retten könnte, allein losschicken? Nur damit du deinem toten Meister nicht eidbrüchig wirst?«
Binabik richtete sich auf, die zornigen Augen voller Tränen. »Wag es nicht, mir von meinem Eid zu sprechen!«, zischte er. »Ich nehme keinen Rat an von einem einfältigen Crohuck!«
Sludig hob die Hand, als wollte er auf den Kleinen einschlagen. Dann starrte er auf seine Finger, die zitterten, wandte sich ab und stapfte von der Lichtung, auf der sie gestanden hatten. Binabik schaute ihm nicht nach, sondern streichelte von neuem Qantaqas zottigen Rücken. Eine Träne rann ihm über die Wange und versickerte im Pelz seiner Kapuze.
Minuten vergingen, ohne dass auch nur ein Vogel schrie.
»Troll?« Sludig stand am Rand der Lichtung, gleich hinter den Pferden. Noch immer wollte Binabik den Kopf nicht heben. »Hör zu, Mann«, fuhr er fort. »Du musst mir zuhören.« Er kam nicht näher, sondern wartete, wie ein ungebetener Gast darauf harrt, dass man ihn zum Eintreten auffordert. »Als wir uns gerade erst kennengelernt hatten, habe ich einmal zu dir gesagt, du wüsstest nichts von Ehre. Ich wollte hingehen und Storfot, den Than von Vestvennby, umbringen, weil er Herzog Isgrimnur beleidigt hatte. Da sagtest du, ich sollte es lassen. Du sagtest, mein Herr hätte mir eine Aufgabe übertragen, und die Ausführung dieser Aufgabe leichtfertig aufs Spiel zu setzen, sei weder tapfer noch ehrenhaft, sondern töricht.«
Der Troll fuhr fort, gedankenverloren über Qantaqas Rücken zu streichen.
»Binabik, ich weiß, dass du ein Mann von Ehre bist, und du weißt, dass ich das auch von mir sagen kann. Wir stehen vor einer schlimmen Entscheidung, aber es ist nicht richtig, dass Verbündete sich streiten und einander Beleidigungen an den Kopf werfen wie Steine.«
Noch immer gab der Troll keine Antwort, aber er ließ die Händein seinen Schoß sinken. So hockte er eine lange Weile wortlos da, das Kinn auf der Brust.
»Ich habe Schande über mich gebracht, Sludig«, sagte er dann. »Du hast recht, mir meine Worte ins Gesicht zurückzuschleudern. Ich erflehe deine Verzeihung, obgleich ich nichts getan habe, sie zu verdienen.« Er wandte dem Rimmersmann, der jetzt ein paar Schritte auf die Lichtung hinausgetreten war, das unglückliche Gesicht zu.
»Wir können es uns nicht erlauben, eine unbegrenzte Zeit nach Simon zu forschen«, erklärte Sludig ruhig. »Das ist eine Wahrheit, die mit Liebe und Freundschaft nichts zu tun hat.«
»Du hast nicht unrecht.« Binabik schüttelte langsam den Kopf. »Nicht unrecht.« Er stand auf und ging auf den bärtigen Soldaten zu, die kleine Hand nach ihm ausgestreckt. »Wenn du mir meine Torheit vergeben kannst …«
»Da ist nichts zu vergeben.« Die breite Tatze umschloss Binabiks Finger.
Über das Gesicht des Trolls huschte ein müdes Lächeln. »Dann will ich
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