Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
kein Anzeichen von Simon.«
Der Rimmersmann spähte in das Schneegestöber. »Komm. Wenn er vom Pferd gefallen ist, wird er wahrscheinlich auf seiner eigenen Fährte zurückgehen … solange sie noch da ist. Wir wollen versuchen, deine Wölfin noch ein Stück zum Kloster zurückzulocken. Vielleicht schafft sie diesmal den ganzen Weg. Kann sein, dass es besser geht, wenn sie den Jungen in der Nähe wittert.« Er trieb sein Pferd und die dahinter folgenden Packpferde an. Binabik verzog das Gesicht und pfiff Qantaqa. Unwillig gehorchte die Wölfin.
»Ich mag den Sturm nicht, der auf uns zukommt!«, rief der Troll. Der Rimmersmann, nur ein kleines Stück voraus, war bereits zu einer verschwommenen Masse geworden. »Ganz und gar nicht mag ich ihn. Er ist der Vorreiter der Dunkelheit, die wir im Norden gesehen haben, als sie sich dort um Sturmspitze sammelte. Nun nähert er sich mit großer Raschheit.«
»Ich weiß!«, schrie Sludig über die Schulter zurück. »Wir werden uns bald erst einmal selbst in Sicherheit bringen müssen, mit oder ohne den Jungen!«
Binabik nickte und schlug sich dann hart mit der Hand auf die Brust, einmal, zweimal und wieder. Wenn die Götter seines Volkes es nicht bemerkten, sah kein anderer diese Gebärde der Verzweiflung.
Das Kloster, noch vor kurzem Schauplatz wilden Grauens, hatte sich in ein stilles, schneebedecktes Grabmal verwandelt. Hügelartige Schneewehen verhüllten fast jeden Hinweis auf das Schicksal Skodis und ihrer kleinen Schützlinge, ohne jedoch alles verbergen zu können. Qantaqa lehnte es ab, sich den schweigenden Mauern auf mehr als Pfeilschussweite zu nähern, und auch Binabik und Sludig verweilten nur so lange im Torhof der Abtei, bis sie sicher waren, dasssich Simon nicht in der Nähe der reglosen Gestalten unter der weißen Schneedecke befand; dann entfernten sie sich eilig.
Als sie tausend Schritte zwischen sich und das Kloster gelegt hatten, hielten sie an und blieben eine Weile wortlos stehen. Sie nahmen tiefe Züge aus einem gemeinsamen Kangkangschlauch und lauschten dem Klagen des Windes. Qantaqa, sichtlich glücklich, dem unheimlichen Ort wieder entkommen zu sein, schnupperte kurz in die Luft und rollte sich dann zu Binabiks Füßen zusammen.
»Heiliger Ädon, Troll«, bemerkte Sludig endlich, »was für eine Sorte Hexe war diese Skodi eigentlich? Ich habe noch nie so etwas gesehen. Gehörte sie auch zu den Anhängern des Sturmkönigs?«
»Nur insofern, als Geschöpfe wie sie tun, was der Sturmkönig will, ob sie es wissen oder nicht. Sie besaß eine gewisse Macht, aber was sie hoffte, war, selbst eine Macht zu werden – und das, glaube ich, ist etwas ganz anderes. Eine kleine Nornenkönigin, mit ihrem eigenen kleinen Gefolge von Anhängern, das wollte sie wohl sein. Zeiten voller Krieg und Streit sind Zeiten, in denen neue Kräfte ans Licht treten. Die alte Ordnung beginnt sich zu verändern, und solche wie Skodi erscheinen und versuchen der Zeit ihren Stempel aufzudrücken.«
»Ich kann nur dem heiligen Gott danken, dass er das ganze Nest bis hinab zum kleinsten Welpen ausgerottet hat.« Sludig sah finster vor sich hin. »Ungutes wäre geschehen, hätte auch nur einer dieser kleinen Hexer überlebt, Junge oder Mädchen.«
Binabik musterte ihn neugierig. »Verformen kann man die Unschuldigen, wie es bei diesen Kindern der Fall war, aber manchmal gewährt einem das Schicksal, dass man sie wieder zurechtbiegen kann. Wenig glaube ich an Böses, das sich nicht umkehren lässt, Sludig.«
»Ach ja?« Der Rimmersmann lachte rauh. »Und was ist mit deinem Sturmkönig? Was könntest du von einer so bösartigen Höllenbrut noch Gutes sagen?«
»Einst liebte er sein Volk mehr als sein eigenes Leben«, versetzte Binabik ruhig.Überraschend schnell wanderte die Sonne über den trüben Himmel. Als die beiden das nächste Mal hielten, brach bereits die frühe Dämmerung herein. Noch zweimal hatten sie die Strecke zwischen dem Kloster und der Stelle im Inneren des Waldes, die sie sich als Endpunkt gesetzt hatten, abgekämmt. Aber alles Rufen und Stöbern war vergeblich. Simon blieb verschwunden. Es wurde schnell dunkel, und neue Schneestürme kündigten sich an.
»Beim Blute Ädons!«, knurrte Sludig verärgert und tätschelte Simons graue Stute, die mit den angeleinten Packpferden ging. »Wenigstens haben wir das elende Schwert nicht auch noch verloren.« Er deutete auf Dorn , ohne es jedoch zu berühren. Dort, wo Teile des schwarzen Schwertes durch die lose
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