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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Aditu. Sie verschwand so schnell durch eine andere verborgene Tür, als verschmelze sie mit den Schatten.
    Jiriki ging mit Simon zur Haustür. »Wir wollen hier unten auf sie warten. Es gibt vieles, über das wir beide sprechen müssen, Seoman, aber zuerst müssen wir zum Yásira gehen.«
    »Warum hat sie Euch … Weidengerte genannt?« Von allen seinen unzähligen Fragen war diese die einzige, die er in Worte fassen konnte.
    »Warum nenne ich dich Schneelocke?« Jiriki sah Simon eindringlich an und lächelte sein bezauberndes Raubtierlächeln. »Ich bin froh, dass es dir gutgeht, Menschenkind.«
    »Gehen wir«, forderte Aditu sie auf. Sie war so lautlos hinter Simon getreten, dass er erschrocken nach Luft schnappte. Als er sich nach ihr umdrehte, schnappte er noch einmal nach Luft. Aditu hatte ihre dicke Schneekleidung mit einem Gewand vertauscht, das kaum mehr als ein Hauch schimmernden, fast durchsichtigen weißen Stoffes war, den ein Band von der Farbe eines orangenfarbenen Sonnenuntergangs zusammenhielt. Unter dem losen Kleidungsstück zeichneten sich deutlich die schmalen Hüften und kleinen Brüste ab. Simon merkte, wie er heiße Wangen bekam. Er war bei den Kammermägden aufgewachsen, aber sie hatten ihn schon vor vielen Jahren zu den anderen Küchenjungen schlafen geschickt. Diese halbnackte Erscheinung hatte etwas äußerst Beunruhigendes. Er erwischte sich dabei, dass er sie anglotzte, und drehte sich hastig um, feuerrot im Gesicht. Eine Hand zeichnete unwillkürlich einen Baum auf seine Brust.
    Aditus Lachen war wie Regen. »Ein Glück, dass ich das alles los bin! Es war kalt dort draußen, wo das Menschenkind herumlief, Jiriki! Kalt!«
    »Jawohl, Aditu«, antwortete Jiriki grimmig. »Es fällt uns leicht, den Winter draußen zu vergessen, wenn bei uns noch Sommerherrscht. Gehen wir jetzt zum Yásira, wo manche nicht glauben wollen, dass es überhaupt einen Winter gibt.«
    Er führte sie aus seiner ungewöhnlichen Eingangshalle hinaus in den sonnengefleckten Weidengang am Fluss. Aditu folgte ihm, Simon kam als Letzter. Noch immer heftig errötend, blieb ihm nichts anderes übrig, als Aditus federndem, schwingendem Gang hinterherzuschauen.
    Von Aditu in ihrem Sommerputz zusätzlich verwirrt, konnte Simon lange Zeit keinen klaren Gedanken fassen. Aber weder ihre geschmeidigen Bewegungen noch die tausendfache Vielfalt von Jan é-Tinukai’is anderen Wundern konnten ihn auf die Dauer ablenken. Es waren verschiedene Bemerkungen gefallen, die ihm allmählich Sorgen machten. Khendraja’aro war anscheinend zornig auf ihn, und Simon hatte deutlich gehört, wie Aditu davon gesprochen hatte, dass Regeln gehorchen würden. Was ging hier eigentlich vor?
    »Wohin gehen wir, Jiriki?«, fragte er endlich.
    »Zum Yásira.« Der Sitha deutete nach vorn. »Dort, siehst du?«
    Simon schützte mit der Hand die Augen vor dem starken Sonnenlicht und sah es an. Es gab hier so vieles, das das Anschauen lohnte, nicht zuletzt das Sonnenlicht selbst. Noch vor wenigen Tagen hatte er darüber nachgegrübelt, ob es ihm wohl je im Leben wieder warm werden würde. Warum ließ er sich schon wieder irgendwohin mitschleppen, wenn es doch sein einziger Wunsch war, sich mitten in den Klee zu werfen und fest einzuschlafen?
    Auf den ersten Blick schien das Yásira nichts weiter zu sein als ein sehr großes, merkwürdig geformtes Zelt, dessen Mittelstange fünfzig Ellen in die Luft ragte und das aus einem Material bestand, das noch unbeständiger und farbenprächtiger war als alle die anderen wunderschönen Aufbauten von Jao é-Tinukai’i. Es dauerte weitere zwei Dutzend Schritte, bis Simon begriff, dass der Mittelpfosten in Wirklichkeit eine ungeheure Esche mit weit ausladenden Ästen war, deren Krone sich hoch über dem Yásira im Waldhimmel verlor. Nach weiteren hundert Schritten erkannte er, weshalb der Stoff des riesigen Zeltes so schimmerte.
    Schmetterlinge.
    Von den längsten Ästen der Esche hingen Tausende von Fäden herunter, so dünn, dass sie kaum mehr als parallel laufende Lichtstrahlen zu sein schienen, die, jeweils handbreit voneinander entfernt, rund um den Baum zur Erde fielen. Auf diesen Fäden saßen von oben nach unten, träge die schillernden Flügel fächelnd und so dicht zusammengedrängt, dass sie sich übereinanderschoben wie Schindeln auf einem phantastischen Dach … Millionen und Abermillionen von Schmetterlingen. Sie trugen alle Farben der Welt, Orange und Weinrot, Ochsenblut und Mandarin, Himmelblau, Primelgelb

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