Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
»Allein der Gedanke, dass die Tochter eines Edelmannes in unserer Stadt so übel behandelt wird!«
Die drei saßen um den runden Tisch des Grafen. Ein Page räumte die Reste eines mehr als zufriedenstellenden Abendessens ab. Flackerndes Lampenlicht warf verzerrte Schatten an die Wände. Draußen sägte der Wind an der Takelung. Unter dem Tisch zankten sich zwei von den Hunden des Grafen um einen Knochen.
»Ihr seid zu freundlich, Graf.« Miriamel schüttelte den Kopf. »Die Baronie meines Vaters ist sehr klein, wirklich kaum mehr als ein Landgut. Eine der kleinsten Baronien von Cellodshire.«
»Gewiss kennt dann Euer Vater auch Godwig?« Aspitis’ Westerling war nicht ganz leicht zu verstehen, und zwar nicht nur, weil es nicht seine Muttersprache war; er hatte den Pokal in seiner Hand bereits mehrmals geleert und wieder auffüllen lassen.
»Selbstverständlich. Er ist von allen Baronen dort der mächtigste – des Königs starke Hand in Cellodshire.« Bei der Erinnerung an den abstoßenden Prahlhans fiel es Miriamel schwer, ihre liebenswürdige Miene beizubehalten, selbst beim Anblick des schönen, goldlockigen Aspitis. Sie warf einen raschen Blick auf Cadrach, der finster und mit drohend gerunzelter Stirn neben ihnen saß.
Er findet, dass ich zu viel rede, stellte Miriamel mit plötzlichem Zorn fest. Aber wie kommt ausgerechnet er dazu, so ein Gesicht zu machen?Er hat uns in diese Patsche gebracht; ich bin es, der wir es verdanken, dass man uns nicht als Kilpafutter über Bord geworfen hat, sondern dass wir jetzt am Tisch des Schiffsherrn sitzen, Wein trinken und guten Seenlandkäse essen.
»Trotzdem wundert mich Euer Missgeschick, Herrin«, fuhr Aspitis fort. »Ich habe gehört, dass die Feuertänzer in den Provinzen ein Problem darstellen, und habe auch ein paar verrückte Ketzer gesehen, die auf den öffentlichen Plätzen von Nabban diesen Feuertänzerglauben predigten – aber wer käme auf die Idee, sie könnten es tatsächlich wagen, Hand an eine Edelfrau zu legen!«
»Eine erkynländische Edelfrau, von äußerst geringer Bedeutung«, warf Miriamel hastig ein. Sie fürchtete, sich mit ihrer erfundenen Geschichte ein wenig zu weit vorgewagt zu haben. »Auch war ich für die Reise in meine neue Heimat, das Kloster, gekleidet. Sie hatten keine Ahnung von meinem Rang.«
»Das ist unerheblich.« Aspitis wedelte leicht mit der Hand und hätte dabei mit seinem weit herunterhängenden Ärmel fast die Kerze auf dem Tisch umgestoßen. Die prunkvolle Kleidung, die er auf dem Quarterdeck angehabt hatte, war durch ein langes, schlichtes Gewand ersetzt worden, wie junge Ritter es bei ihrer Nachtwache tragen. Bis auf einen zierlichen goldenen Baum an einer Halskette bestand sein einziger Schmuck aus dem Wahrzeichen des prevanischen Hauses, das auf den Ärmeln eingewebt war; die Schwingen des Fischadlers umschlossen seine Unterarme wie züngelnde Flammen. Miriamel berührte es angenehm, dass ein reicher junger Mann wie Aspitis seine Gäste in solch bescheidenem Aufzug empfing. »Unerheblich«, wiederholte er. »Diese Leute sind Ketzer und Schlimmeres. Außerdem unterscheidet eine Edelfrau aus Erkynland sich in keiner Weise von einer aus Nabbans eigenen Fünfzig Familien. Blaues Blut ist in ganz Osten Ard gleich und muss um jeden Preis geschützt werden wie ein Quell süßen Wassers in dürrer Wildnis.« Er beugte sich vor und berührte sanft ihren Arm unter dem Ärmel. »Wäre ich dort gewesen, Herrin Marya, so hätte ich mein eigenes Leben hingegeben, bevor ich zugelassen hätte, dass Ihr misshandelt wurdet.« Er lehnte sich wieder zurück und strich mit wohlüberlegter Lässigkeit über den Griff des in der Scheide steckendenSchwertes. »Wäre ich jedoch zu diesem höchsten Opfer gezwungen gewesen, so hätte ich darauf bestanden, von einigen dieser Unholde begleitet zu werden.«
»Oh«, hauchte Miriamel, »oh.« Ein wenig benommen holte sie tief Atem. »Aber trotzdem, Graf Aspitis, braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Wir sind ihnen ja entkommen – nur eben, dass wir auf Euer Schiff fliehen und uns dort verstecken mussten. Wisst Ihr, es war dunkel, und Vater Cadrach …«
»Bruder«, unterbrach sie der Mönch gegenüber am Tisch mürrisch und trank einen Schluck Wein.
»… Bruder Cadrach meinte, dort seien wir am sichersten. Darum haben wir uns im Laderaum versteckt. Wir bedauern diese Belästigung, Graf, und danken Euch für Eure Güte. Ihr braucht uns nur im nächsten Hafen an Land zu setzen.«
»Euch
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