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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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stellen. Es betrübt mich sehr, vom Tod Eurer Mutter zu hören.«
    Miriamel hatte eine plötzliche Eingebung. »Sie starb letztes Jahr bei der großen Pest.«
    Der Graf nickte. »Wie so viele. Sagt mir, Herrin Marya – wenn Ihr mir eine letzte und äußerst kühne Frage erlauben wollt –, gibt es einen bestimmten Mann, dem Ihr versprochen seid?«
    »Nein«, antwortete sie schnell und fragte sich gleich darauf, ob sie besser eine andere Antwort gegeben hätte, die vielleicht weniger Schwierigkeiten mit sich brachte. Sie holte tief Atem und sah dem Grafen offen in die Augen. Der Pomander, der die Luft der Kabine mit seinem Duft erfüllte, drang betäubend in ihre Nase. »Nein«, wiederholte sie. Der Graf sah wirklich ungemein gut aus.
    »Aha.« Aspitis nickte ernsthaft. Mit seinem jugendlichen Gesicht und dem goldenen Lockenkopf wirkte er fast wie ein Kind, das den Erwachsenen spielt. »Aber seht doch, Ihr habt ja gar nichts gegessen, Herrin. Behagen Euch die Speisen nicht?«
    »O doch, Graf Aspitis«, sagte sie atemlos und suchte einen Platz, um den Weinkelch hinzustellen und das Messer zur Hand zu nehmen. Der Kelch war schon wieder leer. Aspitis sah ihren Blick und beugte sich mit dem Krug zu ihr.
    Während sie in ihrem Essen herumstocherte, redete der Graf. Wie um sein Verhör von vorhin zu entschuldigen, hielt er die Unterhaltung jetzt leicht wie Schwanenflaum und sprach hauptsächlich über merkwürdige oder lächerliche Vorfälle am Hof von Nabban. Seinen Worten nach zu urteilen, war es ein wirklich glanzvoller Ort. Aspitis war ein guter Erzähler und brachte Miriamel schnell zum Lachen. Während das Schiff schaukelte und die Wände der kleinen, von den Lampen stark erhellten Kabine in ihr ein Gefühl der Beklommenheit aufkommen ließen, fragte sie sich nach einer Weile, ob sie nicht sogar zu viel lachte. Alles war ein wenig wie imTraum. Es fiel ihr schwer, Aspitis’ lächelndes Gesicht gerade anzuschauen.
    Plötzlich merkte sie, dass sie den Grafen überhaupt nicht mehr sah. Eine Hand legte sich leicht auf ihre Schulter. Aspitis stand hinter ihr und erzählte immer noch von den Damen am Hof. Durch die Weindünste, die ihren Kopf umnebelten, konnte sie seine Berührung spüren, vielsagend und heiß.
    »… Aber natürlich ist ihre Schönheit eher etwas … Künstliches, wenn Ihr versteht, was ich meine, Marya. Ich möchte nicht grausam sein, aber manchmal, wenn Herzogin Nessalanta von einem Windstoß erfasst wird, fliegt der Puder von ihr herunter wie Schnee von einem Berggipfel!« Ein sanfter Druck seiner Hand, dann wanderte sie zu ihrer anderen Schulter, als er die Stellung änderte. Unterwegs strichen ihr seine Finger leise über den Nacken. Sie erzitterte unter seiner Berührung. »Versteht mich nicht falsch«, meinte er. »Ich würde die Ehre und Schönheit unserer höfischen Damen in Nabban bis zum letzten Blutstropfen verteidigen – aber für mein Herz gibt es nichts Köstlicheres als die natürliche Lieblichkeit eines Landmädchens.« Wieder wanderte seine Hand zu ihrem Nacken und berührte ihn, zart wie ein Drosselflügel. »Ihr seid eine solche Schönheit, Herrin Marya. Ich bin glücklich, Euch kennengelernt zu haben. Ich hatte vergessen, was es bedeutet, in ein Gesicht zu sehen, das keine Verschönerung braucht …«
    Der Raum begann sich zu drehen. Miriamel richtete sich ruckartig auf und stieß dabei mit dem Ellenbogen den Weinkelch um. Ein paar Tropfen färbten ihre Serviette blutrot. »Ich muss ins Freie«, erklärte sie. »Ich brauche frische Luft.«
    »Herrin«, versetzte Aspitis mit deutlich besorgter Stimme, »seid Ihr krank? Ich hoffe, es ist nicht meine armselige Tafel, die Euer zartes Empfinden beleidigt hat.«
    Sie versuchte ihn mit einer Handbewegung zu beschwichtigen. Ihr einziger Wunsch war, aus dem grellen Lampenlicht und der stickig warmen, parfümierten Luft herauszukommen. »Nein, nein. Ich möchte nur nach draußen.«
    »Aber es tobt ein Sturm, Herrin. Ihr würdet völlig durchnässt. Ich kann das nicht zulassen.«
    Sie stolperte ein paar Schritte auf die Tür zu. »Bitte. Mir ist übel.«
    Der Graf zuckte hilflos die Achseln. »Erlaubt mir wenigstens, Euch einen warmen Mantel zu holen, der Euch vor dem Gröbsten schützen wird.« Er klatschte in die Hände nach seinen Pagen, die sich zusammen mit dem unsympathischen Knappen in der engen Kammer drängten, die als Vorratsraum und Küche diente. Einer der Pagen begann auf der Suche nach einem passenden Kleidungsstück in einer

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