Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
geklatschten Haarsträhnen und den schwärzlich umschatteten Augen.
    »Doch, vieles. Aber nicht der Aufenthalt auf einem Schiff bei Seegang.«
    »Schätzt Euch glücklich«, murmelte er, machte erneut kehrt und wollte sich über die Reling beugen. Stattdessen riss er die Augen weit auf, kreischte vor Entsetzen und kippte so heftig nach hinten, dass er mit dem Gesäß auf dem Deck landete.
    »Gebeine des Anaxos!«, schrie er. »Steht uns bei! Was ist das?«
    Miriamel trat an die Reling und gewahrte einen grauen Kopf, der auf den Wellenkämmen schwankte. Er war in mancher Weise menschenähnlich; haarlos, jedoch nicht schuppig, glatt wie ein Delphin, mit einem rotumränderten Mund und Augen wie faulende Brombeeren. Der bewegliche Mund rundete sich zu einem Kreis, als wollte das Wesen singen. Stattdessen stieß es ein sonderbares, gurgelndes Heulen aus und verschwand in den Wogen. Beim Abtauchen zeigte es seine Schwimmfüße mit ihren langen Zehen. Gleich darauf erschien der runde Kopf von neuem, diesmal näher am Schiff. Er beobachtete sie.
    Miriamels Magen drehte sich um. »Kilpa«, flüsterte sie.
    »Es ist grausig«, stöhnte Cadrach, noch immer an die Bordwand geduckt. »Es hat das Gesicht einer verdammten Seele.«
    Die leeren schwarzen Augen folgten Miriamel, die ein paar Schritte weiterging. Sie verstand den Mönch nur zu gut. Der Kilpa war weit schrecklicher, als ein bloßes Tier es sein konnte, und sei es noch so wild, denn er war so grauenvoll menschenähnlich und doch so bar jeder Regung, jedes Verstehens.
    »Ich habe seit Jahren keinen gesehen«, sagte sie langsam und konnte den Blick nicht von ihm losreißen. »Und ich glaube nicht, dass ich sie je so nahe erblickt habe.« Ihre Gedanken eilten in ihre Kindheit zurück, zu einer Seereise nach der Insel Vinitta, die sie mit ihrer Mutter Hylissa von Nabban aus unternommen hatte. Damals waren Kilpa in ihrem Kielwasser dahingeglitten und der kleinen Miriamel fast spielerisch vorgekommen – so wie Tümmler oder fliegende Fische. Jetzt erst, als sie den Kilpa aus solcher Nähe sah, begriff sie, warum ihre Mutter sie so hastig von der Reling zurückgezerrt hatte. Sie schauderte.
    »Ihr sagt, Ihr habt sie schon früher gesehen, Herrin?«, fragte eineStimme. Miriamel fuhr herum. Hinter ihr stand Aspitis, der dem zusammengekauerten Mönch eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Cadrach sah ernstlich krank aus.
    »Ja, vor langer Zeit, bei einem Besuch in … in Wentmünd«, erwiderte Miriamel eilig. »Sie sind entsetzlich, nicht wahr?«
    Aspitis nickte langsam und sah dabei mehr auf Miriamel als auf das glatte graue Wesen, das unter der Heckreling tanzte. »Ich wusste nicht, dass sich Kilpa auch in den kalten Gewässern des Nordens aufhalten«, erklärte er.
    »Hält Gan Itai sie denn nicht fern?«, fragte Miriamel, um das Thema zu wechseln. »Warum ist dieser hier so nahe herangekommen?«
    »Weil die Niskie erschöpft ist und eine Weile schläft, und auch, weil die Kilpa sehr dreist geworden sind.« Aspitis bückte sich und hob einen Eisenstift mit viereckigem Kopf vom Deck auf. Er schleuderte ihn nach dem stummen Beobachter. Einen Fuß vom nasenund ohrenlosen Kopf des Kilpa entfernt spritzte er auf. Die schwarzen Augen blinzelten nicht einmal. »Sie sind, wie ich hörte, neuerdings viel unternehmungslustiger als früher«, bemerkte der Graf. »Seit dem Winter haben sie mehrere kleine Schiffe und sogar ein paar größere überfallen.« Er hob rasch die Hand, an der goldene Ringe funkelten. »Doch habt keine Furcht, Herrin Marya. Es gibt keine bessere Sängerin als meine Gan Itai.«
    »Dieses Geschöpf ist ein Scheusal, und ich bin krank«, ächzte jetzt Cadrach. »Ich muss mich hinlegen.« Er übersah Aspitis’ angebotene Hand und stand mühsam auf. Dann stolperte er davon.
    Der Graf drehte sich um und schrie den Matrosen, die in den vom Wind gebeutelten Wanten umherkletterten, Anweisungen zu. »Wir müssen die Segel reffen«, sagte er erläuternd. »Es zieht ein äußerst heftiger Sturm auf, den wir nur aussitzen können.« Wie um seine Worte zu unterstreichen, blitzte es am nördlichen Horizont wieder auf. »Vielleicht hättet Ihr die Güte, mir beim Abendessen Gesellschaft zu leisten.« Über der Dünung grollte der Donner. Ein plötzlicher Regenguss strömte auf die beiden nieder. »So hat Euer Vormund die nötige Ruhe, um sich zu erholen, und Ihr habt Gesellschaft für den Fall, dass der Sturm wirklich furchterregend wird.« Lächelnd zeigte er die

Weitere Kostenlose Bücher