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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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großen Truhe herumzuwühlen. Miriamel stand daneben und fühlte sich elend. Schließlich rüstete man sie mit einem muffig riechenden Wollmantel mit Kapuze aus; Aspitis, ähnlich verhüllt, nahm ihren Ellenbogen und führte sie an Deck.
    Der Wind wehte jetzt heftig. Wolkenbruchartiger Regen überflutete das Schiff, stürzte am flackernden Lampenlicht vorbei und verschwand dann wieder im Dunkel. Donner grollte.
    »Setzen wir uns wenigstens dort unter das Segeldach, Herrin Marya!«, rief Aspitis. »Sonst werden wir alle beide noch irgendeine schreckliche Krankheit davontragen!« Er zog sie zum Heck, wo ein Dach aus rotweiß gestreiftem Segeltuch zwischen den Bordwänden gespannt war. Summend vibrierte es in der steifen Brise. Ein Steuermann im wehenden Mantel neigte den Kopf, als die beiden sich unter das Segeltuch duckten, ließ jedoch die Hände fest am Ruder. Der Graf und sein Gast ließen sich auf einem Stapel feuchter Decken nieder.
    »Danke«, sagte Miriamel. »Ihr seid sehr freundlich. Ich komme mir äußerst töricht vor, Euch solche Ungelegenheiten zu bereiten.«
    »Ich mache mir nur Sorgen, dass die Kur gefährlicher ist als die Krankheit«, erwiderte Aspitis lächelnd. »Wenn mein Arzt davon erführe, würde er mich wegen Gehirnfieber zur Ader lassen, bevor ich noch blinzeln könnte.«
    Miriamel lachte und schlotterte in rascher Folge. Trotz der Kälte hatte die würzige Seeluft ihre Stimmung schon bald beträchtlich gehoben. Sie hatte nicht mehr das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen – im Gegenteil. Es ging ihr so viel besser, dass sie es geschehn ließ, als der Graf von Eadne und Drina ihr schützend den Arm um die Schultern legte.
    »Ihr seid eine ungewöhnliche, aber reizvolle junge Frau, Herrin Marya«, flüsterte Aspitis. Im Stöhnen des Windes waren seine Worte kaum zu hören. Warm berührte sein Atem ihr kaltes Ohrläppchen. »Ich fühle, dass Euch ein Geheimnis umgibt. Sind alle Landmädchen so launenhaft?«
    Miriamel konnte sich nicht entscheiden, wie sie auf das Prickeln reagieren sollte, das ihr heiß über den Rücken lief, eine gefährliche Mischung aus Furcht und Erregung. »Bitte nicht«, sagte sie endlich.
    »Was … nicht, Marya?« Draußen brüllte und tobte der Sturm, aber Aspitis’ Berührung war fast andächtig und seidenweich.
    Der Wind schien einen Schwarm verwirrender Bilder zu ihr herüberzuwehen – das kalte, ferne Gesicht ihres Vaters, das schiefe Lächeln des jungen Simon, die vorübersausenden Ufer des Flusses Aelfwent. Das Blut sang ihr warm und laut in den Ohren.
    »Nein«, erklärte sie und löste sich aus dem sie umschlingenden Arm des Grafen. Sie kroch nach vorn, bis sie unter dem Segeldach herauskam und sich aufrichten konnte. Der Regen prasselte ihr ins Gesicht.
    »Aber Marya …«
    »Habt Dank für das köstliche Abendessen, Graf Aspitis. Ich habe Euch große Ungelegenheiten verursacht und erflehe Eure Verzeihung.«
    »Es gibt nichts zu verzeihen, Herrin.«
    »Dann will ich Euch eine gute Nacht wünschen.«
    Sie stemmte sich gegen den heftigen Wind und ging mit unsicheren Schritten auf das Unterdeck, dann an der Kajütenwand entlang bis zu der Leiter, die in den schmalen Gang hinabführte. Sie öffnete die Tür der Kabine, die sie mit Cadrach teilte, trat ein und blieb im Dunkeln stehen, um seinem gleichmäßigen, tiefen Atmen zu lauschen, dankbar, dass er nicht aufwachte. Wenig später hörte sie Aspitis’ Stiefel auf den Leitersprossen. Seine Kabinentür ging auf und schloss sich dann hinter ihm.
    Lange Zeit blieb Miriamel an die Tür gelehnt stehen. Ihr Herz schlug so schnell, als hätte sie sich dort versteckt, um ihr Leben zu retten.
    War das Liebe? Furcht? Was für einen Zauber hatte der goldhaarigeGraf über sie gelegt, dass sie sich so wild, so verfolgt fühlte, außer Atem und verwirrt wie ein aufgescheuchter Hase?
    Die Idee, sich in ihr Bett zu legen und zu schlafen, während ihre Gedanken rasten und Cadrach am Boden schnarchte, war unerträglich. Sie öffnete die Kabinentür einen Spalt und horchte. Dann schlüpfte sie wieder in den Gang und schlich nach oben. Obwohl es immer noch in Strömen goss, schien der Sturm nachgelassen zu haben. Das Deck schaukelte nach wie vor so stark, dass sie nur vorwärtskam, wenn sie sich mit der Hand an den Wanten festhielt, aber die See hatte sich merklich beruhigt.
    Der Klang einer aufwühlenden, seltsam verführerischen Melodie lockte sie näher. Das Lied bog sich vor und zurück und nähte die stürmische Nacht

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