Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
auf der Flucht durch den sturmgeschüttelten Wald.
»Ich wünschte, ich könnte dir sagen, es ist nahe, Sludig. Ich weiß zwar nicht, welche Entfernung noch bleibt, aber ich fürchte, das meiste eines Tagesrittes.« Er streichelte Qantaqas triefendes Fell. »Ein wackerer Lauf, alte Freundin.« Sie achtete nicht auf ihn, und war vollauf damit beschäftigt, aus einem hohlen Baumstumpf Wasser zu trinken.
»Diese Riesen jagen uns wie Wild«, erklärte Sludig grimmig. »Sie scheinen eine Vorliebe für Menschenfleisch entwickelt zu haben.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn wir uns doch noch stellen müssen, wird das einigen von ihnen leid tun.«
»Ich bin zu gering von Größe für einen saftigen Happen«, meinte Binabik finster. »Darum will ich ihre Zeit nicht damit vergeuden, dass ich mich fangen lasse. Auf diese Weise wird niemand Bedauern empfinden.«
Der Rimmersmann lenkte sein Pferd zu dem Baumstumpf. Das Tier, das vor Kälte zitterte und trotz des prasselnden Regens ausgedörrt war, kümmerte sich nicht um die Wölfin, die nur eine Handbreit neben ihm stand.
Während die beiden Reittiere tranken, trug der Wind ein langgezogenes,grollendes Heulen zu ihnen hinüber. Es klang so nahe, dass ihnen das Blut gefror.
»Verdammt!«, rief Sludig und schlug mit der Hand auf den Schwertgriff. »Sie sind nicht weiter hinter uns als vor einer Stunde! Rennen sie so schnell wie Pferde?«
»Fast so hurtig, scheint mir«, versetzte Binabik. »Mich dünkt, wir sollten uns noch tiefer in den Wald begeben. Die dicken Bäume machen sie vielleicht langsamer.«
»Du dachtest auch, wenn wir die Ebene verließen, würde sie das aufhalten«, wandte Sludig ein und zog sein unwilliges Pferd von dem hohlen Baumstumpf weg.
»Wenn wir überleben, darfst du mir alle meine Unzutreffendheiten aufzählen«, brummte Binabik. Er packte Qantaqas dicke Halskrause. »Jetzt, falls du dir keinen Weg ausgedacht hast, wie wir fliegen können, sollten wir reiten.«
Von neuem trug ihnen der Wind ein tiefes, hustendes Brüllen zu.
Sludigs Schwert sauste von rechts nach links und schlug eine Schneise in das Buschwerk. Sie kämpften sich einen langen, bewaldeten Hang hinunter. »Meine Klinge wird stumpf sein, wenn ich sie am dringendsten brauche«, beschwerte sich der Rimmersmann.
Binabik, der die sich sträubenden Pferde an der Leine führte, stolperte, fiel in den Schlamm und rutschte ein kleines Stück bergab. Die Pferde drängten sich unruhig aneinander, blieben jedoch auf dem engen Pfad, den Sludig durch das dichte Unterholz gehackt hatte. Der Troll, der im Schlamm nur mühsam das Gleichgewicht halten konnte, stand auf und suchte die Zügel des Leittiers.
»Qinkipa vom Schnee! Dieser Sturm hat kein Ende!«
Sie brauchten den größten Teil der Mittagsstunde, um den Abhang hinunterzukommen. Es hatte den Anschein, als sei Binabiks Vertrauen in den Wald zumindest teilweise begründet gewesen: Das gelegentliche Heulen der Hunen wurde ein wenig leiser, wenn es auch nie ganz verstummte. Außerdem schien sich der Wald zu lichten. Noch immer waren die Bäume gewaltig, aber doch nicht mehr so riesenhaft wie die Stämme im tiefen Herzen des Aldheorte.
Erle, Eiche und Schierlingstanne trugen Girlanden aus Schlingpflanzen. Darunter wuchsen dichtes Gras und Unterholz, und selbst in dieser unnatürlichen Kälte steckten ein paar gelbe und blaue Wildblumen die Köpfe aus dem Schlamm und wiegten sich im heftigen Regen. Ohne den Wolkenbruch und den schneidenden Wind wäre dieser Teil des südlichen Waldes ein außergewöhnlich schöner Fleck Erde gewesen.
Endlich hatten sie den Fuß des Abhangs erreicht und kletterten auf eine niedrige Felsplatte, um sich den ärgsten Schmutz von Stiefeln und Kleidern zu schaben, bevor sie wieder aufs Pferd stiegen. Sludig drehte sich um und schaute nach oben. Er hob den Zeigefinger.
»Bei Elysias Erbarmen, Kleiner – sieh.«
Hoch oben am Hang und doch erschreckend nahe drängte sich ein halbes Dutzend weißlicher Gestalten durch das Laubwerk. Sie schwangen die langen Arme wie Nascadu-Affen. Einer hob den Kopf und zeigte sein Gesicht, ein schwarzes Loch im bleichen, zottigen Fell. Ein donnernder Schrei schallte über den regennassen Hang. Sludigs Pferd tänzelte vor Entsetzen.
»Es ist wie ein Rennen«, bemerkte Binabik, dessen rundliches, braunes Gesicht ganz blass geworden war. »Im Augenblick sind sie die Besseren.«
Qantaqa sprang von der Felsplatte hinunter, den Troll auf dem Rücken. Sludig folgte mit den anderen
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