Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
sie!«, seufzte Sludig und hackte wie wahnsinnig auf einen schlanken Stamm ein. »Warum verfolgen sie uns nur! Ist es wegen des Schwertes?«
Binabik schüttelte den Kopf. »Fast fertig. Noch zwei Lange brauche ich.«
Zu der weißen Gestalt oben auf dem Berg hatten sich rasch mehrereweitere Figuren gesellt, eine Meute tobender Gespenster, die die langen Arme in den stürmischen Himmel reckten. Die Stimmen der Riesen dröhnten und schallten über das Wasser, als gelte ihre Drohung nicht allein den kümmerlichen Wesen dort unten, sondern dem Stein des Abschieds selbst, der gelassen und ungerührt, fast anmaßend, gerade außerhalb ihrer Reichweite lag.
»Geschafft«, verkündete Binabik und verschnürte den letzten Knoten. »Bringen wir es zu Wasser. Wenn es nicht schwimmt, wirst du den Kampf haben, den du dir so wünschst, Sludig.«
Aber es schwamm, sobald sie es aus dem Gewirr des versunkenen Unterholzes befreit hatten. Durch den Sturm hörte man das dumpfe Krachen zerschmetterten Holzes, als die Riesen den schlammigen Hang hinunterstampften. Vorsichtig warf Sludig Dorn auf die feuchten Äste. Binabik rannte zurück, um die Satteltaschen zu plündern. Einen Ledersack zerrte er ungeöffnet hinter sich her und warf ihn Sludig zu, der gürteltief im braunen Wasser stand. »Das hier gehört Simon«, rief der Troll. »Es soll nicht verloren sein.« Sludig zuckte die Achseln und schob den Sack neben das eingewickelte Schwert.
»Was wird aus den Pferden?«, schrie er Binabik zu. Das Geheul der Verfolger wurde lauter.
»Was bleibt uns übrig?«, antwortete der Troll hilflos. »Wir müssen sie freilassen.« Er zog das Messer und durchtrennte die Zügel von Sludigs Tier. Danach zerschnitt er hastig die Bauchgurte der Packpferde, sodass ihre Lasten in den Schlamm fielen.
»Beeil dich, Troll!«, brüllte Sludig. »Sie sind gleich da!«
Binabik, das Gesicht in verzweifeltem Nachdenken verzogen, sah sich um. Er bückte sich und durchwühlte eine letzte Satteltasche, aus der er verschiedene Gegenstände an sich nahm, bevor er den Hang hinunterrannte und ins Wasser sprang.
»Rauf mit dir!«, knurrte Sludig.
»Qantaqa!«, schrie Binabik. »Hierher!«
Die Wölfin fletschte die Zähne und fuhr herum, um sich den tosend heranstürzenden Riesen entgegenzustellen. Ängstlich wiehernd rasten die Pferde in alle Richtungen davon. Plötzlich brach Sludigs Gaul nach Osten durch die Bäume, und die anderen folgten ihm sofort. Die Riesen waren jetzt ganz deutlich sichtbar, nur wenigehundert Schritte weiter oben am Berg, in schnellem Abstieg begriffen. Mit weit aufgerissenen Mäulern in den ledrigschwarzen Gesichtern heulten sie ihr Jagdlied. Die großen Keulen fuhren sausend hin und her wie hohles Schilfrohr. Sie bahnten sich den Weg durch die knorrigen Bäume und das dichte Gebüsch.
»Qantaqa!« , brüllte Binabik außer sich. »Ummu ninit! Ummu sosa!«
Die Wölfin machte kehrt und sprang auf sie zu. Mit einem Satz war sie im Wasser und fing sofort heftig an zu paddeln. Jetzt setzte Sludig sich in Bewegung, noch ein paar Schritte den überfluteten Hang hinab, bis er keinen Boden mehr unter den Füßen spürte. Noch ehe sie dreißig Ellen vom Ufer entfernt waren, hatte Qantaqa sie eingeholt. Sie kletterte über Sludigs Rücken auf das Floß, das gefährlich zu schaukeln begann. Fast hätte sie den Rimmersmann unter Wasser gedrückt.
»Aus, Qantaqa!«, schrie Binabik.
»Lass sie!«, gurgelte Sludig. »Nimm die Hände und paddle!«
Hinter ihnen brach brüllend vor Wut der erste Riese aus dem Wald. Er drehte den zottigen Kopf nach allen Seiten, als suche er eine bessere Stelle, um seiner Beute doch noch die Flucht abzuschneiden. Als er keine fand, watete er ins Wasser. Nach ein paar Schritten kippte er plötzlich klatschend nach vorn und versank für einen Augenblick in den Fluten. Wild um sich schlagend tauchte er wieder auf, das schmutzigweiße Fell voller Zweige. Er hob das Kinn und bellte donnernd in den Sturm, als rufe er um Hilfe. Hinter ihm am Ufer drängten sich seine Gefährten, die in ohnmächtigem Blutdurst grölten und heulten.
Ungeschickt und wütend schwamm der erste Riese dorthin zurück, wo das Wasser seichter wurde. Triefnass richtete er sich auf und griff mit dem Affenarm nach unten, wo er einen gewaltigen Ast, dick wie ein Männerbein, aus der Erde riss. Brummend schleuderte er ihn durch die Luft. Mit ungeheurer Wucht prallte das Geschoss neben dem Floß auf; ein hervorstehender Zweig riss Sludig die Wange auf
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