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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hatten.
    Als Eolair den Rand des Aldheorte erreichte, nahm er die nächtlichen Ritte wieder auf. Hier, in Elias’ Reich, kaum dreißig Meilen von Erchester entfernt, schienen die Zähne des Sturms weniger scharf zu sein. Außerdem hielt Eolair es für sicherer, sich nicht mehr darauf zu verlassen, dass er so gut wie keinem anderen Reisenden begegnen würde – hierzulande gehörten die wenigen Reiter im Zweifelsfall zur hochköniglichen Erkyngarde.
    Im Schatten des großen Waldes schien das stille, schneebedeckte Ackerland unruhig auf die kommenden Ereignisse zu warten, als sei der Sturm nur der Vorläufer noch furchtbarerer Dinge. Eolair war sich bewusst, dass das seine eigenen Gefühle waren, aber er spürte auch ganz deutlich, dass er damit nicht alleinstand: Eine Wolke der Angst hing über Erkynland und erfüllte die Luft wie ein schrecklicher Nebel, der willenlos machte. Die wenigen einsamen Bauern und Holzfäller, deren Wagen er begegnete, reagierten auf seinen Gruß nur mit dem Zeichen des Baumes, wenn sie auf den mondlosen Straßen an ihm vorüberfuhren, so als sei er ein Dämon oder Wiedergänger. Aber im Schein ihrer Fackeln sah er, dass es ihre eigenen Gesichter waren, die so schlaff und fahl geworden waren wie Totenmasken, als hätten die grausamen Winde und der ständige Schnee den letzten Lebensfunken in ihnen erstickt.
    Er näherte sich jetzt dem Thisterborg. Der eindrucksvolle Berg erhob sich nur wenige Meilen vor den Toren von Erchester. Eolair hatte nicht vor, den Abstand zwischen sich und dem Hochhorst noch weiter zu verringern; in manchen tiefschwarzen Nächten konnte er förmlich spüren, wie dort Elias’ schlaflose Bosheit brannte wie eine Fackel in hohem Turm. Er rief sich ins Gedächtnis zurück, dass Elias nur der Hochkönig war, ein sterblicher Mensch, den er einst geachtet, wenn auch nie geliebt hatte. Ganz gleich, welche wahnsinnigen Pläne er jetzt hegte, auf welchen grausigen Handel er sich eingelassen hatte – er war nur ein Mensch.
    Als der Graf weiter auf ihn zuritt, schien der Gipfel des Berges zu flackern. Es sah aus, als loderten dort riesige Wachfeuer. Eolair überlegte, ob Elias auf dem Thisterborg einen ständigen Wachtposteneingerichtet hatte, konnte sich jedoch keinen Grund dafür denken. Fürchtete der König einen Überfall aus dem uralten Wald, dem Aldheorte? Nun, es konnte ihm gleich sein. Eolair war fest entschlossen, den Thisterborg auf der von Erchester abgewandten Seite zu umreiten, und hatte nicht den geringsten Wunsch, den geheimnisvollen Lichtern auf die Spur zu kommen. Dem schwarzen Berg haftete ein übler Ruf an, der weit in die Zeit vor Elias’ Vater, König Johan, zurückging. Es gab viele Geschichten über den Thisterborg, keine davon ersprießlich. In der jetzigen Zeit hätte Eolair es gern vermieden, sich dem Berg auf weniger als eine Meile zu nähern, aber der Wald – bei Nacht ebenfalls kein einladender Ort – und die Mauern von Erchester hinderten ihn daran, einen weiten Bogen zu schlagen.
    Er war gerade auf der Nordseite des Berges angekommen, und sein Pferd suchte sich durch die immer dichter stehenden Bäume am Saum des Aldheorte den Weg, als ihn plötzlich eine nie gekannte Furcht erfasste. Sein Herz hämmerte. Kalter Schweiß, der fast sofort zu dünnem Eis gefror, bedeckte sein Gesicht. Ihm war zumute wie einer Feldmaus, die plötzlich, wenn es zur Flucht schon zu spät ist, den herabstürzenden Falken erblickt. Er musste sich beherrschen, dem Pferd nicht die Sporen zu geben und wie ein Wahnsinniger blindlings davonzugaloppieren. Er fuhr herum und starrte wild um sich, auf der Suche nach einem Grund für sein namenloses Grauen, aber es war nichts zu sehen.
    Endlich gab er seinem Pferd einen Schlag auf die Flanke und ritt ein Stück tiefer zwischen die schützenden Bäume. Was ihm so viel Angst eingejagt hatte, schien eher aus dem offenen Schneefeld zu kommen als aus dem dunklen Forst.
    Schon die ganze Zeit, seit er sich im Windschatten des Aldheorte befand, hatte der Sturm ihn geschont. Hier war der Himmel bis auf ein paar Schneeflocken klar. Im Osten hing ein riesiger gelber Mond und gab der Landschaft eine kränkliche, knochenweiße Farbe. Der Graf von Nad Mullach schaute zur drohenden Masse des Thisterborg auf und überlegte, ob dort der Grund für seine plötzliche Furcht lag, aber es war nichts Außergewöhnliches zu sehen oder zu hören. Etwas in seinem Inneren fragte sich, ob er nicht einfach schonviel zu lange mit seinen trüben

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