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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Gedanken allein war, aber dieses Etwas ließ sich leicht beiseiteschieben. Eolair war ein Hernystiri. Hernystiri erinnerten sich.
    Ein dünnes Geräusch wie ein unbestimmtes, aber hartnäckiges Kratzen drang an sein Ohr. Eolair wandte den Blick vom geheimnisvollen Thisterborg ab und sah nach Westen über die Schneefelder, die Richtung, aus der er gekommen war. Etwas zog langsam über die weiße Ebene dahin.
    Das eisige Grauen kroch tiefer in ihn hinein und überzog seinen ganzen Körper mit prickelndem Frost. Das Pferd trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Eolair legte ihm die zitternde Hand an den Hals. Als spüre das Tier sein Grauen, wurde es sofort ganz still. Nur die beiden dampfenden Wolken ihres Atems regten sich im Schatten der Bäume.
    Das Kratzen wurde lauter. Jetzt erkannte Eolair etwas, das sich durch den Schnee auf ihn zubewegte, ein leuchtender, weißer Klumpen, gefolgt von etwas Schwarzem. Und plötzlich traten, mit der absoluten Unwirklichkeit eines Alptraums, die glänzenden Umrisse klar hervor.
    Es war ein Gespann weißer Ziegen. Ihr zottiges Fell strahlte wie von Mondlicht übergossen. Sie hatten rotglühende Augen, und irgendetwas an ihren Köpfen stimmte nicht – war auf entsetzliche Weise falsch. Wenn Eolair sich später daran erinnerte, konnte er nie genau sagen, was es eigentlich war, nur dass die Form ihrer haarlosen Schnauzen eine gewisse boshafte Intelligenz ausstrahlten. Die Ziegen, es waren insgesamt neun, zogen einen großen, schwarzen Schlitten. Es war das Geräusch der Kufen, die im Schnee knirschten, das er gehört hatte. Auf dem Schlitten saß eine verhüllte Gestalt, die selbst aus ein paar hundert Ellen Entfernung unnatürlich groß wirkte. Mehrere kleinere, schwarzgekleidete Figuren schritten feierlich neben ihr her, die Kapuzen zur Erde geneigt wie meditierende Mönche.
    Ein fast unüberwindliches Grauen erfüllte Eolair. Das Pferd unter ihm stand starr wie Stein, als habe vor Angst sein Herz versagt und es sei im Stehen gestorben. Mit quälender Langsamkeit glitt der Zug vorüber, lautlos bis auf das Geräusch des Schlittens. Als die Verhülltenschon fast ins Dunkel der unteren Hänge des Thisterborg eingetaucht waren, drehte einer von ihnen sich plötzlich um. Eolair sah etwas aufblitzen, das ihm wie ein skelettweißes Gesicht vorkam, in dem schwarze Löcher brannten, die vielleicht Augen waren. Der Teil seiner kreisenden Gedanken, der noch dazu fähig war, dankte seinen und den Göttern aller anderen Völker für den Schatten des Waldsaums. Endlich wandte der verschleierte Blick sich ab. Der Schlitten und seine Eskorte verschwanden im verschneiten Thisterborgwald.
    Noch lange stand Eolair unter den Bäumen. Er gab sich keine Mühe, sein Zittern zu unterdrücken, rührte sich jedoch nicht vom Fleck, bis er überzeugt war, die Gefahr sei vorbei. Er hatte die Zähne so fest aufeinandergebissen, dass ihm der Kiefer schmerzte. Ihm war zumute, als habe man ihn nackt ausgezogen und in ein großes, schwarzes Loch geworfen. Als er sich endlich wieder zu rühren wagte, warf er sich nach vorn und galoppierte, so schnell das Tier laufen wollte, nach Osten. Er brauchte weder Sporen noch Reitpeitsche; sein Pferd hatte es so eilig wie er. In einer Wolke von Schnee stoben sie davon.
    Spöttisch blickte der Mond auf sie herab, als Reiter und Pferd vor dem Thisterborg und seinen Geheimnissen ostwärts flohen. Eolair wusste, dass seine schlimmsten Befürchtungen nur allzu berechtigt gewesen waren und dass es Dinge auf der Welt gab, die alles übertrafen, was er sich in seinen schrecklichsten Träumen ausgemalt hatte.

    Ingen Jegger stand unter den ausgebreiteten Armen einer schwarzen Schierlingstanne. Er achtete nicht auf den schneidenden Wind oder den Reif in seinem kurzgeschnittenen Bart. Bis auf das ungeduldige Leben in den blassblauen Augen hätte er ein unglücklicher Wanderer sein können, der beim Warten auf die Wärme der Morgensonne erfroren war.
    Der mächtige weiße Hund, der zu seinen Füßen im Schnee kauerte, regte sich und gab einen fragenden Laut von sich. Es klang, als knarrten rostige Angeln.
    »Hungrig, Niku’a?« Ein fast zärtlicher Ausdruck huschte über Ingens angespannte Züge. »Ruhig. Bald kannst du dich satt fressen.«
    Bewegungslos stand Ingen da, schaute und lauschte, witterte in die Nacht wie ein bärtiges Raubtier. Der Mond kroch von einer Lücke im dichten Baumdach zur anderen. Der Wald schwieg; nur der Wind wehte.
    »Aah.« Zufrieden tat er ein paar

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