Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
schwelenden Rinde des großen Baumes glühten die Augen des Jägers tiefrot.
Am Stamm der Esche richtete sich schwankend der große Hund auf. Sein Fell war versengt und geschwärzt, der zerfetzte Schlund fast zahnlos. Dort, wo das Tier gekauert hatte, lag Shima’onari reglos auf der Erde. Die Faust des Sithiherrschers umklammerte einenblutigen Pfeil. Der Hund machte ein paar Schritte, fiel um und rollte zur Seite. Eingeweide glänzten in einer klaffenden Bauchwunde. Mühsam hob und senkte sich Niku’as breite Brust.
Die Augen des Jägers blitzten vor Zorn. »Ihr habt ihn getötet!«, schrie er gellend. »Meinen Stolz! Den Besten der Zwinger!« Er näherte sich dem sterbenden Hund, ohne Amerasu loszulassen. Ihr Kopf hing schlaff herunter. »Niku’a!«, zischte Ingen Jegger, blickte hoch und ließ den Blick langsam durch das Yásira wandern. Ohne ein Glied zu rühren, erwiderten die Sithi mit blutbefleckten, ascheverschmierten Gesichtern stumm sein Starren.
Ingen Jeggers schmale Lippen verzogen sich im Leid. Er sah zu den verkohlten Ästen der Esche und dem grauen Himmel darüber auf. Noch immer presste er Amerasu an sich. Ihr weißes Haar hing ihr über das Gesicht wie ein Vorhang.
»Mörder!«, kreischte er. Einen langen Augenblick herrschte Stille.
»Was willst du von Erster Großmutter, Sterblicher?«
Es war Likimeya, die so ruhig fragte. Ihr weißes Kleid war mit Asche befleckt. Sie kniete neben ihrem am Boden liegenden Gatten und hielt seine blutige Hand. »Du hast genug Schmerz über uns gebracht. Lass sie frei. Verlass diesen Ort. Wir werden dich nicht verfolgen.«
Ingen Jegger betrachtete sie wie eine längst vergessene Landmarke, die nach einer anstrengenden Reise plötzlich sichtbar wird. Seine zusammengepressten Lippen dehnten sich zu einem grausigen Grinsen, und er schüttelte Amerasus hilflose Gestalt, dass der Kopf wackelte. Dann hob er den Hundehelm, den er mit bluttriefender Faust umklammert hielt, und schwenkte ihn in wahnwitziger Freude.
»Die Waldhexe ist tot!«, heulte er. »Ich habe es getan! Preise mich, Herrin, dein Auftrag ist erfüllt!« Er reckte die andere Hand zum Himmel und ließ Amerasu fallen wie einen leeren Sack. Blut verfärbte ihr graues Gewand und lief über die goldenen Hände. Aus ihrer Seite ragte der durchsichtige Griff des Kristalldolchs. »Ich bin unsterblich!«, schrie der Jäger der Königin.
Ingen Jegger drehte sich langsam um. Als er Simon erkannte, verzerrteein lippenloses Lächeln den Mund des Jägers. »Du hast mich zu ihr geführt, Junge.«
Aus den rauchenden Trümmern vor Ingens Füßen schnellte eine aschendunkle Gestalt empor.
»Venyha s’anh!« , rief Jiriki und rammte dem Jäger Indreju tief in den Leib.
Von der Wucht des Stoßes nach hinten geworfen, kam Ingen Jegger stolpernd zum Halt und beugte sich über die lange Klinge, die ihrem Besitzer aus der Hand gerissen worden war. Blut sickerte aus seinem Mund und befleckte den hellen Bart. Aber sein Lächeln blieb.
Ganz langsam richtete er sich auf und hustete.
»Die Zeit der Dämmerungskinder … ist vorbei«, röchelte er. Ein surrendes Geräusch ertönte. Plötzlich steckte ein halbes Dutzend Pfeile in Ingens breitem Rumpf. Sie ragten nach allen Seiten wie die Stacheln eines Igel.
»Mörder!«
Diesmal war es Simon, der schrie. Er sprang auf die Füße. Sein Herzschlag dröhnte ihm laut wie eine Kriegstrommel in den Ohren. Er fühlte das peitschende Singen der zweiten Pfeilsalve, als er auf den Jäger zurannte. Er schwang den schweren Stein, den er die ganze Zeit festgehalten hatte.
»Seoman! Nein!« , rief Jiriki.
Der Jäger war in die Knie gesunken, hielt sich jedoch immer noch aufrecht. »Eure Hexe … ist tot«, keuchte er. Er reckte dem heranjagenden Simon die Hand entgegen. »Die Sonne sinkt …«
Weitere Pfeile sausten durch das Yásira. Ingen Jegger brach zusammen.
Aus Simons Herz schoss Hass empor wie eine Stichflamme. Er stand über dem Jäger und hob den Stein hoch in die Luft. Auf Ingen Jeggers Zügen stand noch das starre, ekstatische Grinsen, und für den Bruchteil einer Sekunde begegneten seine blassblauen Augen Simons Blick. Gleich darauf verschwand sein Gesicht in einer roten Wolke. Die Wucht des Schlages ließ den Körper ein Stück zur Seite rollen. Mit einem unartikulierten Wutgebrüll stürzte Simon hinterher. Sein ganzer aufgestauter Zorn brach sich in einem Anfall von Irrsinn Bahn.
Sie haben mich ausgelacht. Sie haben mir alles genommen. Alles!
Die Wut verwandelte
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