Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
durch die rauchgeschwängerte Luft, nur als Lichtstreifen sichtbar.
Ein Hund taumelte auf Simon zu und fiel ihm vor die Füße. Aus seiner Kehle ragte ein gefiederter Pfeil. Simon kroch voller Ekel von dem Kadaver weg. Unter seinen Fingern fühlte er das Gras und die pergamentfeine Asche der Schmetterlinge. Seine Hand schloss sich um einen großen Stein, den er aufhob und festhielt. Wie ein blinder Maulwurf schob er sich nach der Stelle, an der Hitze und Lärm amgrößten waren, getrieben von etwas, das er nicht beschreiben konnte. Hilflos erlebte er, was er schon einmal im Traum gesehen hat, eine Vision geisterhafter Gestalten, die panisch hin und her liefen, während ihre Heimat in Flammen aufging.
Ein gewaltiges Tier, der größte Hund, dem Simon je begegnet war, hatte Shima’onari gegen den Stamm der großen Esche gedrängt. Sein Gewand qualmte, er war unbewaffnet. Mit bloßen Händen umklammerte Jirikis Vater den breiten Kopf des Hundes und versuchte die schnappenden Kiefer von seinem Gesicht abzuhalten. Um die beiden flackerten seltsame Lichter, blau und grellrot.
Gleich daneben hatten Jiriki und mehrere andere das brüllende Feuerwesen umringt. Der Prinz, klein im Vergleich mit dem Ungeheuer der Roten Hand, reckte den flackernden Flammen sein Hexenholzschwert Indreju entgegen wie eine schwarze Schattenzunge.
Simon duckte sich und kroch weiter, immer dem Mittelpunkt des Yásira zu. Der Lärm war ohrenbetäubend. Körper drängten sich an ihm vorbei. Ein Teil der Sithi rannte zu Jiriki, um ihm gegen den Eindringling beizustehen, andere rasten mit brennenden Haaren und Kleidern ziellos umher wie Wahnsinnige.
Ein jäher Anprall warf Simon ins Gras. Einer der Hunde stand über ihm. Die leichenweiße Schnauze suchte seine Kehle. Stumpfe Krallen zerkratzten ihm die Arme. Mit aller Kraft versuchte er sich unter dem Tier herauszuwinden. Blindlings tastete er nach dem Stein, der seinen Fingern entglitten war, fand ihn und schlug damit auf den Kopf des Hundes ein. Der Angreifer jaulte geifernd auf und grub die Zähne in Simons Hemd. Bei dem Versuch, ihn in den Hals zu beißen, riss er dem Jungen die Schulter auf. Wieder schlug Simon zu, hob mühsam den kraftlosen Arm empor und ließ den Stein noch einmal niedersausen. Der Hund sackte zusammen und rutschte von seiner Brust. Simon rollte sich zur Seite und versetzte dem toten Tier einen Fußtritt.
Jäh erscholl ein gellender Schrei, der allen Tumult übertönte. Der Winterwind heulte durch das Yásira, ein eisiger Nordsturm, der ihm das Mark zu durchbohrte. Angefacht von diesem Wind schien die feurige Gestalt in der Mitte der Halle für einen Augenblick nochriesiger zu werden. Erst nach diesem letzten Auflodern sank die Flammenwoge in sich zusammen. Es war, als grolle Donner, dann dröhnte ein entsetzlicher Schlag in Simons Ohren, und in einem zischenden Funkenregen verschwand die Erscheinung der Roten Hand. Eine zweite Windbö schleuderte Simon und viele andere flach auf den Boden, als Luft an die Stelle rauschte, wo eben noch das Flammenwesen geglüht hatte.
Eine seltsame Stille senkte sich über das Yásira.
Simon lag betäubt auf dem Rücken und starrte nach oben. Allmählich kehrte das natürliche Dämmerlicht zurück und erhellte sanft den mächtigen Baum, dessen Äste jetzt leer oder doch nur mit den verkohlten Resten der Schmetterlinge bedeckt waren. Stöhnend und mit wackligen Beinen stand der Junge auf. Überall irrten erschreckt und verstört die Bewohner von Jao é-Tinukai’i umher. Sithi, die Speere und Bogen gefunden hatten, waren dabei, den noch lebenden Hunden den Garaus zu machen.
War der grässliche Schrei der Todesschrei des Feuergeschöpfs gewesen? Hatten Jiriki und seine Mitstreiter es vernichtet? Simon starrte in die trübe Wolke inmitten der Halle und versuchte zu erkennen, wer dort bei der Nebellampe stand. Er kniff die Augen zusammen und machte einen Schritt nach vorn. Es war Amerasu … und noch jemand. Simon wurde plötzlich eiskalt ums Herz.
Neben Amerasu, umnebelt von Rauch, der aus der verbrannten Erde stieg, konnte er eine Gestalt mit einem Helm ausmachen, der das Bild eines zähnefletschenden Hundes zeigte. Einer der lederbekleideten Arme umspannte Amerasus Mitte und hielt ihren zarten, erschlafften Körper so fest, als drücke er eine Geliebte an sich. Die andere Hand hob langsam den Hundehelm in die Höhe und entblößte das wettergegerbte Gesicht Ingen Jeggers.
»Niku’a!«, schrie er. »Yinva! Komm zu mir!« Im Schein der
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