Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
und der verstummten Amerasu in feuriges Rot tauchte. Mitten in der Flamme öffneten sich plötzlich zwei dunkle Löcher wie lichtlose Augen. Ein eisiges Grauen erfasste Simon, packte ihn so fest, dass er zitterte. Das schwankende Gesicht strahlte eine kalte Drohung aus, wie von einem gewöhnlichen Feuer Hitze ausgeht. Amerasu hörte auf, sich zu wehren, und wurde ganz steif, als sei sie zu Stein geworden.
Unter den leeren Augen gähnte eine neue Schwärze in der wogenden Flammensäule – ein Mund, aus dem blutloses Gelächter erscholl. Simon war übel vor Angst. Verzweifelt versuchte er, sich aus dem Bann zu lösen. Er hatte diese Maske des Grauens schon früher gesehen.
Die Rote Hand ! Er wollte es laut herausschreien, aber lähmende Furcht erstickte seine Worte zu einem hilflosen, dünnen Pfeifen.
Likimeya trat vor, ihr Gemahl an ihrer Seite, um Amerasu zu schützen. Sie hob die Arme vor der Nebellampe und dem feurigen Wesen, das darin loderte. Silbernes Licht umgab sie. »Geh zurück zu deiner verdorrten Gebieterin und deinem toten Herrn, Verfaulter!«, rief sie. »Du gehörst nicht mehr zu uns!«
Wieder lachte das Flammenwesen. » O nein. Wir sind mehr als ihr, viel mehr. Die Rote Hand und ihr Gebieter sind stark geworden. Alles Geschaffene muss im Schatten des Sturmkönigs untergehen. Die Verräter aber werden in der Finsternis heulen und kreischen.«
»Du hast hier keine Macht!«, schrie Shima’onari und griff nach der erhobenen Hand seiner Gemahlin. Das Licht, das die beiden einhüllte, breitete sich aus, bis der silbrige Dunst auch das feurige Gesicht bedeckte. »Dieser Ort ist dir verboten! Geh zurück in deinen kalten Berg und die schwarze Leere!«
» Ihr begreift noch immer nicht!« , jubilierte das Wesen. » Wir allein, von allen, die jemals lebten, sind aus dem Nicht-Sein zurückgekehrt. Wir sind stark geworden. STARK !«
Noch während die hohle Stimme durch das Yásira hallte und die erzürnten und entsetzten Rufe der Sithi übertönte, blähte sich das Wesen in der Nebellampe plötzlich auf und wuchs zu einer riesigen Feuersäule empor, die mit donnerndem Aufbrüllen den formlosen Kopf zurückwarf. Weit breitete es die lodernden Arme aus, als wollte es alles ringsum erdrücken oder verbrennen.
Feuer, heiß wie die Sonne, sprang empor. Die Schmetterlinge an ihren seidenen Fäden gingen in Stichflammen auf. Es war, als springe eine Million der Tiere gleichzeitig in die Luft, eine riesige Wolke aus Feuer und rauchenden Flügeln. Wie fliegende Asche schwebten sie durch den Raum, taumelten zwischen den schreienden Sithi zu Boden, stießen gegen den Stamm der großen Esche und zerfielen zu Staub. Das ganze Yásira war von einer wirbelnden, Funken sprühenden Dunkelheit erfüllt.
Das turmhohe Wesen in der Mitte lachte und flackerte, ohne Licht auszustrahlen. Vielmehr schien es alle Helligkeit aufzusaugen und immer breiter und höher zu werden. Ringsum drängten undschoben sich eine Vielzahl von Körpern gegeneinander. Im roten Feuerschein zeichneten sich die Köpfe und wild fuchtelnden Arme der schreienden Sithi ab.
Voller Entsetzen sah Simon sich um. Jiriki war fort.
Jetzt vernahm man inmitten des Chaos ein neues Geräusch, das immer lauter wurde und schließlich das grausige Lachen übertönte, das von der Roten Hand ausging. Es war das heisere Geläut einer Hundemeute auf der Jagd.
Eine Horde bleicher Schemen strömte in das Yásira. Plötzlich waren überall weiße Hunde, aus deren schmalen Augen das Höllenlicht des Wesens in der Mitte leuchtete. Ihre heulenden roten Mäuler schnappten und kläfften.
»Ruakha, ruakha Zida’ya!« , hörte Simon Jiriki ganz in der Nähe schreien. »T’si e-isi’hai as-Shao Irigú!«
Simon stöhnte und sah sich verzweifelt nach einer Waffe um. Ein geschmeidiger weißer Schatten sprang an ihm vorbei, ein Stück Fleisch im triefenden Fang.
Jingizu.
Etwas drängte sich gewaltsam in sein Gedächtnis. Als hätte das Feuer vor ihm in seinem Inneren eine Flamme entfacht, schoss eine brennende Erinnerung in ihm empor: die schwarzen Tiefen unter dem Hochhorst, ein Traum von großem Unglück und gespenstischem Feuer.
Jingizu. Das Herz allen Leides.
Das Chaos ringsum wurde immer wilder und stürmischer. Aus der funkensprühenden Schwärze, im Strudel der zappelnden Glieder, heulte aus tausend Kehlen die Sturmspitzenmeute. Simon versuchte sich aufzurichten, warf sich aber schnell wieder flach auf den Boden. Die Sithi hatten ihre Bogen gefunden. Pfeile sausten
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