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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Es war ein Tag, um in einem der sicheren Teiche herumzuplanschen und zu schwimmen, nicht aber, um auf eine Reise zu gehen.
    Im Grunde hatte er kaum etwas zu packen. Er suchte sich ein Lendentuch zum Wechseln sowie ein Gewand und ein Paar Sandalen, die er in Nabban anziehen wollte – schließlich musste man die betrübliche Ansicht der meisten Nabbanai, sein Volk bestehe aus rückständigen Hinterwäldlern, nicht noch bestärken. Was er allerdings auf dieser Reise nicht brauchen würde, waren sein Schreibbrett aus gespannter Baumrinde, seine hölzerne Truhe und der Rest seiner sonstigen mageren Habseligkeiten. Die kostbaren Bücher und Schriftrollen wagte er nicht mitzunehmen, denn es war nur allzu wahrscheinlich, dass er mehrfach ins Wasser fallen würde, bevor er die Städte der Trockenländer erreichte.
    Dagegen hatte er sich entschieden, Nisses’ Pergament nicht zurückzulassen. Er wickelte es in eine zweite Schicht Blätter und verstaute das Ganze in einen ölgetränkten Lederbeutel, den ihm Doktor Morgenes seinerzeit in Perdruin geschenkt hatte, als Tiamak dort noch wohnte. Den Beutel, den Heroldstab und seine Kleider legte er in sein Flachbodenboot, zusammen mit der drittbesten Schale, einer Handvoll Kochgerätschaften und einer Wurfschlinge mit einem gefalteten Blatt voller runder Steine. Dann, nachdem er sich damit so lange wie möglich aufgehalten hatte, stieg er über den Banyanbaum zum Obergeschoss seines Hauses hinauf, um die Vögel freizulassen.
    Als er über das Schilfdach kletterte, konnte er die schläfrige, gedämpfte Sprache der Vögel in ihrem kleinen Häuschen hören. Er hatte, was an Körnern noch übrig war, in seine viertbeste – und letzte – Schale geschüttet und unten aufs Fensterbrett gestellt. Dadurch würden die Vögel nach seiner Abreise wenigstens noch eine Weile in der Nähe des Hauses bleiben.
    Er steckte die Hand in die kleine, rindengedeckte Kiste, nahm vorsichtig eine seiner Tauben heraus – eine hübsche weißgraue namensSo-Schnell – und warf sie hoch in die Luft. Sie flatterte lebhaft mit den Flügeln und setzte sich endlich auf einen Ast über seinem Kopf. Sein ungewöhnliches Verhalten verwirrte sie, und sie gurrte leise und fragend. Tiamak spürte den Kummer eines Vaters, der seine Tochter zu fremden Menschen schicken muss. Aber er musste die Vögel herausholen und die Tür ihres Schlags, die nur nach innen aufging, zusperren. Sonst würden die Tauben oder ihre noch abwesenden Artgenossen wieder hineinfliegen und in der Falle sitzen. Ohne einen Tiamak, der sie daraus befreite, würden sie in kurzer Zeit verhungern.
    Ihm war sehr elend zumute. Vorsichtig nahm er auch Rotauge, Krabbenfuß und Honigschlecker heraus. Bald hockte ein schimpfender Chor über ihm im Geäst. Die Vögel im Haus hatten gemerkt, dass etwas Ungewöhnliches vorging, und benahmen sich bockig – sie waren an die Hinterwand des Schlags geflohen, sodass Tiamak sich weit vorbeugen musste, um sie zu fassen. Als er nach einem dieser letzten Widerspenstigen greifen wollte, streiften seine Hände ein kleines, kaltes Federbündel, das weiter hinten im Schatten lag, gerade außer Sichtweite.
    Plötzlich besorgt, umschloss er es mit den Fingern und hob es heraus. Es war, wie er sofort erkannte, einer seiner Vögel, und er war tot. Mit großen Augen untersuchte er ihn genauer. Es war Tintenfleck, eine der Tauben, die er vor mehreren Tagen nach Nabban gesandt hatte. Offensichtlich war Tintenfleck von einem Tier verwundet worden, denn ihm fehlten eine Menge Federn, und er war befleckt mit angetrocknetem Blut. Tiamak wusste genau, dass der Vogel gestern noch nicht da gewesen war. Er musste im Lauf der Nacht eingetroffen sein – trotz seiner Wunden war er mit letzter Kraft weitergeflogen und hatte sein Zuhause erreicht, nur um dort zu sterben.
    Vor Tiamaks Augen verschwamm die Welt, als ihm die Tränen kamen. Der arme Tintenfleck. Ein großartiger Vogel war er gewesen, einer der schnellsten Flieger, dazu sehr tapfer. Überall am Körper des Vogels, sah Tiamak, waren Blutspuren unter den zerrupften Federn. Armer, tapferer Tintenfleck.
    Um den reisigdünnen Knöchel der Taube war ein schmaler Pergamentstreifengerollt. Tiamak legte das stille Bündel einen Moment beiseite, lockte die beiden letzten Vögel hinaus und verkeilte das Türchen mit einem eingekerbten Stock. Tintenflecks Körper in der hohlen Hand, kletterte er dann zum Fenster hinab und zurück ins Haus. Er bettete den Körper der Taube auf den Boden und

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