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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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von seinen Befürchtungen, dass »die Zeit des Eroberersterns« unzweifelhaft gekommen sei – was immer das bedeuten mochte – und dass Tiamaks Hilfe gebraucht werde, »um gewissen furchtbaren Dingen, auf die – so heißt es – das schändliche, verscholleneBuch des Priesters Nisses hinweist, zu entgehen.« Aber was für Dinge? »Das schändliche, verschollene Buch …« – das war Du Svardenvyrd von Nisses, wie jeder Gelehrte wusste.
    Tiamak griff tiefer in die Truhe hinein und förderte ein mit Blättern umwickeltes Bündel zutage, das er entrollte, um sein wertvolles Pergament herauszunehmen. Er breitete es neben Morgenes’ Brief auf dem Boden aus. Das Pergamentblatt, über das Tiamak auf dem Markt von Kwanitupul rein zufällig gestolpert war, war von einer weit höheren Qualität als die Sorte, die er sich sonst leisten konnte. Die rostbraune Tinte formte die Runen des Nordlands von Rimmersgard, aber die Sprache war ein altertümliches Nabbanai aus der Zeit vor fünfhundert Jahren.
    … Bringt aus Nuannis Felsgarten her
    den Blinden, der sehen kann;
    findet das Schwert, das die Rose befreit,
    am Fuße des Rimmerbaums dann;
    sucht in dem Schiff auf der seichtesten See
    den Ruf, dessen lauter Schall
    des Rufers Namen widerhallt –
    und sind Schwert, Ruf und Mann
    dem Prinzen zur Hand
    wird frei, was gefangen so lang.
    Unter diesem unverständlichen Gedicht stand in Großbuchstaben der Name N ISSES.
    Was sollte Tiamak davon halten? Morgenes konnte nicht wissen, dass er eine Seite des fast schon sagenhaften Buches entdeckt hatte – der Wranna hatte es keiner Seele erzählt –, und doch schrieb der Doktor, eine wichtige Aufgabe erwarte Tiamak, die mit Du Svardenvyrd im Zusammenhang stehe!
    Auf seine Anfragen an Morgenes und die anderen hatte er keine Antwort bekommen. Jetzt sollte er nach Nabban, um dort die Sache seines Volkes vor den Trockenländern zu vertreten. Und immer noch wusste er nicht, was all das zu bedeuten hatte.
    Tiamak goss den Tee aus dem Topf in seine drittliebste Schale.Die zweitliebste hatte er am Morgen fallen lassen und zerbrochen, als Älterer Mogahib und die anderen plötzlich unter seinem Fenster losblökten. Er hielt die warme Schale in der Höhlung seiner schmalen Finger und pustete darüber hin. »Heißer Tag, heißer Tee«, hatte seine Mutter immer gesagt. Heute war es wirklich heiß. Die Luft stand still und war so drückend, dass Tiamak fast das Gefühl hatte, von seiner Veranda springen und in ihr herumschwimmen zu können. Heißes Wetter allein störte ihn sonst nicht, denn bei greller Hitze hatte er immer weniger Hunger; heute aber lag etwas Beunruhigendes in der Luft, als sei das Wran ein glühender Zinnbarren auf dem Amboss der Welt, über dem bebend ein gewaltiger Hammer schwebte, bereit, zuzuschlagen und alles zu verändern. Am Morgen hatte Roahog der Töpfer, während man Älterem Mogahib die Leiter hinaufhalf, den Augenblick zu einem Schwätzchen genutzt und erzählt, eine Ghant-Kolonie sei im Begriff, sich nur wenige Achtelmeilen den Wasserlauf abwärts, unterhalb von Haindorf, ein neues Nest zu errichten. Nie zuvor hatten sich Ghants einer menschlichen Siedlung so weit genähert, und obwohl Roahog lachend gemeint hatte, dass die Männer von Wran das Nest sehr bald in Flammen stecken würden, hatte die Geschichte Tiamak in Unruhe versetzt, so als sei ein ungeschriebenes, aber allgemein anerkanntes Gesetz gebrochen worden.
    Während der träge Nachmittag sich dem Abend zuneigte, bemühte sich Tiamak, über die Forderungen des Herzogs von Nabban und Morgenes’ Brief nachzudenken, aber dazwischen drängten sich Bilder der nestbauenden Ghants mit ihren bräunlichgrauen, emsig klickenden Kiefern und irr glitzernden kleinen, schwarzen Augen; er konnte sich einfach nicht von der lächerlichen Vorstellung befreien, dass alle diese Dinge miteinander in einem Zusammenhang standen.
    Es ist die Hitze, beruhigte er sich selbst. Wenn ich nur einen Krug kühles Farnbier hätte, würden mir diese wilden Hirngespinste schon vergehen. Aber er besaß nicht einmal mehr genug Gelbwurz, um sich eine zweite Tasse Tee zu brauen, von Farnbier ganz zu schweigen. Sein Herz war voller Sorge, und nichts und niemand in dem ganzen weiten, heißen Wran konnte ihm Frieden geben.Tiamak erhob sich beim ersten Morgengrauen. Als er einen Reismehlkuchen gebacken, ihn aufgegessen und einen Schluck Wasser getrunken hatte, wurde der Sumpf bereits unangenehm warm.
    Tiamak zog ein Gesicht und begann zu packen.

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