Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
Steuerberater unserer Diözese, sondern auch als meinem Freund â mein tief empfundenes Bedauern über den Tod Ihrer geliebten Frau Gemahlin auszusprechen. Ich weiÃ, wie wenig Trost Worte bei einem derart tiefen Verlust spenden können.« Er sann kurz nach, bevor er weiterdiktierte: »Wo wir gerade von Verlusten sprechen, die Diözese könnte für das laufende fiskalische Jahr noch die eine oder andere Verlustzuweisung ge brauchen â¦Â«
»Der Maler, der diese Kuppel im 17. Jahrhundert ausgemalt hat, wusste mehr über Himmel und Hölle, als es seinen Auftraggebern lieb war!«, rief Emma von dem sacht schwankenden Gerüst herunter. »Er hatte die Vision, die dieser Darstellung fehlt, aber sein Nachfolger musste sie überpinseln!«
Sie griff nach einer Taschenlampe, knipste sie an und richtete den Lichtstrahl auf eine farblich abweichende Stelle unterhalb des Throns von Gottvater, die von einer unproportional groà wirkenden Wolke ausgefüllt wurde. Es sah aus, als wären die rötlich schimmernden Ränder der Wolke nachträglich hinzugefügt worden, um etwas anderes zu überdecken.
»Ich bin auf der Suche nach Skizzen der ursprünglichen Kuppel von Balthasar Frühwein, um im Rahmen der Restaurierung den Originalzustand wiederherzustellen«, erklärte Emma. »Der Prior des Klosters von Benediktbeu ren hat mir â¦Â«
»Du siehst müde aus, Emma«, sagte der Monsignore. Er wirkte plötzlich beunruhigt. »Geh nach Hause und leg dich hin. Ãber die genauen Details der weiteren Arbeiten können wir uns bei anderer Gelegenheit unterhalten.«
Das war der Moment, in dem Emma gegen die Packung Mehl stieÃ. Auf ihrem hängenden Arbeitstisch lagen Farbtuben, Pinsel, Schaber und kleine Messer, auÃer dem eine Palette, mehrere terpentingetränkte Lappen und Fotografien der Fresken. Das Mehl diente dazu, die Goldtöne aufzufrischen â oder besser, hätte dazu gedient, wäre es jetzt nicht schwer wie ein Backstein durch die Luft nach unten gesaust, geradewegs auf Monsignore Wenzel zu. Emma erstarrte, schaffte es aber noch »Monsignore, Achtung!« zu rufen.
Der Monsignore trat einen Schritt zurück, nur Sekun den, bevor die Packung vor ihm auf dem Granitboden zer platzte und ihn in eine Mehlwolke einhüllte. Er seufzte. »Emma, Emma â du musst wirklich auf dich achtgeben. Und auf deine Mitmenschen!« Er zeichnete mit der rechten Hand ein Kreuz in die Luft. »Lass Gott Zeit, sein Werk zu tun.«
»Ach, Monsignore, wären Sie vielleicht so freundlich, meinem Vater bei der Beurteilung der Echtheit einer Madonna aus der Werkstatt von â¦Â« Emma beugte sich ein wenig über das Sicherungsgeländer, nur um festzustellen, dass der Monsignore schon durch den Ausgang der Kirche ins Freie trat. Sie seufzte resigniert. »Was meint er damit â Gott Zeit lassen, sein Werk zu tun?«, fragte sie Schwester Regina.
Die Schwester zuckte mit den Schultern. » Den Seinen gibtâs der Herr im Schlaf oder so ähnlich. Nehme ich an.« Sie steckte den Diktierblock wieder ein, bekreuzigte sich und eilte hinter ihrem geistigen Vater her.
Mit anderen Worten, que sera, sera, dachte Emma.
Zuerst klang es gar nicht wie ein zusammenbrechendes Gerüst. Es war nur das Knirschen der Dübel, das nicht auf hörte, und das Klirren des Flaschenzugs, das lauter wurde statt leiser. Dazu gesellte sich das Kreischen der Eisen rohre, das Ãchzen der Holzbohlen und das Surren der Seile, die immer schneller durch Ãsen rutschten. Schlieà lich gab es einen peitschenden Knall, als eine Schraube aus einem Scharnier platzte und wie ein Schrapnell quer durch die Kuppel schoss, bevor es sich in die eben erst restaurierte Kniescheibe Gottes bohrte.
Das ganze Gerüst erzitterte. Eine Staubwolke wirbelte ins seitlich einfallende Zwielicht. Die Plattform unter Em mas FüÃen gab ein Stück weit nach, dann folgte ein jäher Ruck. Jetzt klang es wie ein zusammenbrechendes Gerüst, komplett mit Brettern, die auf den Steinboden krachten, Tauen, die hin und her schwangen wie Elefantenrüssel und dem Knacken splitternder Geländerstangen.
Im letzten Moment, bevor Emma in die Tiefe stürzte, gelang es ihr, mit beiden Händen das dicht vor ihrem Gesicht vorbeizischende Seil des Flaschenzugs zu packen. Gleich darauf löste sich die Plattform unter ihren FüÃen aus der Verankerung und sauste
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