Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noel Hardy
Vom Netzwerk:
deutlich erkennen, das Gesicht unter der Pudelmütze, umgeben von weiß schimmernden Schneeflocken. Aber Murat blieb unscharf, ohne Konturen. Seine Gestalt verschwand fast hinter dem Schneegestöber, das an wirbelnde weiße Fe dern erinnerte und wie zufällig gerade dort besonders dicht war, wo er stand.
    Â»Geben Sie mal her!« Emma nahm Julian das Handy weg und löschte das Bild. »Ich muss mit Ihnen reden«, sagte sie, als sie ihm das Handy zurückgab. »Ich habe nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, die Klage gegen Murat … Ich meine, gegen meinen Schutzengel nicht aufrechtzuerhalten.«
    Julian schüttelte besorgt den Kopf. »Hören Sie, Emma, ich weiß, über Weihnachten kommt man auf die ko mischsten Ideen, vor allem, wenn man allein ist. Aber als Ihr Anwalt kann ich Ihnen nur davon abraten, vor Ende der Gerichtsferien und ohne wenigstens die Aussicht auf einen Vergleich abzuwarten …«
    Â»Der Himmel vergleicht sich nicht«, sagte Murat.
    Â»Gott, ist der süß«, meinte Sera. Sie zog Emma am Arm von Julian und Murat weg. »Erinnerst du dich an den Mann aus meinem Traum? Der Arm aus der Wolke von Michelangelo …«
    Â»Was ist damit?«
    Â»Es war Julian. Seit Weihnachten sind wir nicht mehr aus den Federn gekommen. Ein Zehntausender nach dem anderen, sage ich dir, ich klettere von Gipfel zu Gipfel. Ist das nicht absolut wahnsinnig?«
    Â»Klingt zumindest so«, sagte Emma.
    Â»Und dann sieht er auch noch aus wie Johnny Depp!«
    Â»Julian?«
    Â»Ja, findest du nicht? Er ist vielleicht kein guter Anwalt, aber als Liebhaber braucht er sich vor niemandem zu verstecken. Und weißt du was? Zum ersten Mal könnte ich mir vorstellen, mit jemandem länger zusammenzubleiben, vielleicht für immer. Ich komme mir vor … Ich weiß, das klingt kitschig, aber ich komme mir vor wie im Himmel!«
    Der Himmel ist Liebe, dachte Emma an Murats Worte.
    Â»Und das verdanke ich alles dir«, redete Sera weiter. »Wenn du Julian nicht zu mir geschickt hättest …«
    Emma rieb ihre Hände aneinander und blies hinein. »Ich habe ihn nicht zu dir geschickt. Er ist von selbst zu dir gekommen.«
    Â»Dann hatte vielleicht dein Engel die Finger im Spiel, wer weiß?« Sera strich Emma eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich habe dich sehr lieb, vergiss das nicht, und ich werde immer deine Freundin sein. Aber du musst mir eins versprechen: Mach bei deinem Murat nicht denselben Fehler wie bei Mark. Halt ihn nicht zu sehr auf Distanz, nur weil du Angst hast, verletzt zu werden. Hast du schon mit ihm … Habt ihr schon …«
    Â»Nein!«
    Â»Ja, ja, ich weiß, er ist ein Engel. Aber auch Engel haben Bedürfnisse. Wenn er meinetwegen auf die Erde gekommen wäre, würde ich dafür sorgen, dass er den Himmel vergisst, und …«
    Â»Den hat er schon vergessen«, sagte Emma. »Jedenfalls das meiste davon.«
    Â»Dann sorg dafür, dass er den Rest auch noch vergisst. Sobald ihr nach Hause kommt. Oder hast du den Himmel auch vergessen? Denk an die Hand aus den Wolken. Das war die Hand Gottes.«

    D as Türglöckchen bimmelte. Der helle Klang verlor sich in dem von abendlichem Halbdunkel erfüllten Verkaufs raum von Salásy Art et Antiquités. Monsignore Wenzel trat in einer kleinen Wolke aus wirbelndem Schnee über die Schwelle und drückte die Tür rasch wieder ins Schloss. » Hallo?!«, rief er. »Baron von Salásy?« Er faltete seinen Schirm zusammen und sah sich in dem verwaisten Raum um. »Sind Sie da? Vitus Wenzel vom Erzbischöflichen Ordinariat! Ich sollte mir doch das Kruzifix ansehen, das Sie gestern hereinbekommen haben!«
    Â»Ich bin hier hinten«, drang die Stimme des Barons durch den schweren moosgrünen Filzvorhang hinter der Kasse.
    Langsam ging der Monsignore auf den Vorhang zu. Er schob die Filzfalten beiseite und streckte seinen Kopf in den schmalen Durchgang zu dem mit Kisten und Kartons vollgestellten Lager.
    Im selben Moment traf ihn ein heftiger Schlag von einem Lampenständer aus massivem Eisen auf den Kopf. Ein grelles Licht explodierte hinter seiner Stirn, seine Zähne klirrten gegeneinander. Er taumelte, ging aber nicht zu Boden. Der Lampenständer polterte auf die Holzdielen. Dann presste eine Hand etwas gegen sein Gesicht, bedeckte Mund und Nase mit einem weißen Tuch, das nach Chloroform stank. Der Monsignore

Weitere Kostenlose Bücher