Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
für eine Garantie hat der Himmel, dass du es dir nicht bei nächster Gelegenheit wieder anders überlegst?« Damit löste er sich von der Wand, öffnete die Tür und verschwand im schwach beleuchteten Treppenhaus.
»Murat!« Sie schaute ihm nach, wie er die Treppe hinunterging, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sie senkte die Stimme, um die Nachbarn nicht zu stören. »Wann sehe ich dich wieder?«
Da war er schon den nächsten Treppenabsatz hinunter. Wenn er etwas antwortete, war es so leise, dass sie es nicht hörte.
D ie Finger des Monsignore zuckten. Seine Lippen gaben schmatzende Geräusche von sich. Er stöhnte. Mühsam öffnete er die Augen. Sein Kopf fühlte sich an, als schlüge ihm jemand einen glühenden Nagel durch die Schlä fen. Dunkelheit umgab ihn. Er blinzelte und öffnete die Augen weiter. Aus der Dunkelheit wurde Dämmerlicht. Nach und nach konnte er sehen, wo er sich befand: in einem Keller.
Er lag nicht, er saÃ, auf einem roten Samtkissen. Mit dem Rücken lehnte er an der kalten Kellerwand. Seine Hände ruhten gefesselt auf den Oberschenkeln der ausgestreckten Beine. Er zog die FüÃe an und versuchte aufzustehen, aber da fing der Raum an, sich um ihn zu drehen, und er kippte zur Seite.
»Was ist passiert?«, murmelte er liegend. »Wo, zum Teufel, bin ich?« Die Augen nach oben verdreht, verbesserte er sich: »Verzeih mir â wohin, oh, Herr, hast du mich geschickt?«
Da er keine Antwort erhielt, wandte er sich an mögliche irdische Zuhörer. »Hallo, ist da jemand?! ⦠Hilfe! « Noch einmal versuchte er, sich aufzurichten, fiel aber wieder zurück. »Autsch, verdammt â¦!« Der glühende Nagel bohrte sich immer tiefer in seinen Schädel. »O Haupt«, ächzte er. »O Haupt voll Blut und Wunden ⦠voll Schmerz ⦠bedeckt mit Pein â¦Â« Er schloss die Augen wieder. »Gib mich nicht in den Willen meiner Feinde, oh, Herr â¦Â«
»⦠denn es stehen falsche Zeugen wider mich und tun mir Unrecht ohne Scheu«, fiel eine Stimme mit ungari schem Zungenschlag ein. »Psalm siebenundzwanzig, Vers zwölf.«
Der Monsignore riss die Augen auf und blickte überrascht nach oben. »Herr?«
»Hier bin ich!«
Jetzt erkannte der Monsignore im Zwielicht des mit Gerümpel angefüllten Kellers eine Gestalt, die auf der anderen Seite des Raums auf einem Hocker saà und ihn nicht aus den Augen lieÃ. Das wenige Licht fiel durch das mit einem Drahtgitter versehene Oberlicht herein, und die Gestalt gehörte Béla von Salásy.
»So sieht man sich wieder, Monsignore«, sagte der Baron. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie in diese unangenehme Lage gebracht habe, aber mir blieb keine andere Wahl.«
»Nicht wenn Sie sind, wie Sie zu sein scheinen«, bestätigte der Monsignore. »Was haben Sie mit mir vor?«
»Sie werden in den nächsten Tagen mein Gast sein, und es soll Ihnen, wie es in der Bibel heiÃt, an nichts mangeln.«
»Aber warum? Was habe ich Ihnen getan?«
»Monsignore, Sie beleidigen meine Intelligenz! Spielen sie nicht den Dummen, diese Rolle passt nicht zu Ihnen. Ich bin der Mann. Der Mann, der Brahms die Madonna über einen Strohmann zum Kauf angeboten hat, was Sie sehr wohl wissen, wenn Sie über diesen Umstand informiert sind. Also werden Sie so lange mein Gefangener â pardon, mein Gast! â sein, bis Brahms die Statue verkauft hat, das Geld in meine Taschen geflossen ist und der neue Käufer mit etwas Hilfe von mir erkennt, dass Brahms ihm eine Fälschung angedreht hat.«
»Und wenn ich den wahren Sachverhalt enthülle?«
»Dann bin ich längst über alle Berge.«
Der Monsignore war einen Moment lang versucht, zu verraten, dass die Madonna echt war und somit kein Grund bestand, ihn hier einzukerkern. Doch sein Glaube war stärker als die Versuchung. »Es gibt gar kein Kruzifix aus der Karolingerzeit, oder?«
»Das gibt es bestimmt«, meinte Salásy. »Nur nicht in diesem Laden.«
»Und was soll nun geschehen?«
Salásy breitete die Hände aus. »Wir werden sehen, welche Pläne der Himmel mit Ihnen hat.«
»Man wird nach mir suchen.«
Salásy grinste. »Wo? Wer weià denn, dass wir uns kennen? Nur dieser junge Türke â¦Â« Das Grinsen schien auf seinen Lippen zu zerlaufen wie eine von DalÃs Uhren. »Einen Béla von
Weitere Kostenlose Bücher