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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noel Hardy
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Salásy legt man nicht aufs Kreuz. Sie denken, ich bin ein Gauner und Betrüger, nicht?«
    Der Monsignore zog es vor, nicht zu antworten. Er bereute, dass er den Baron angerufen hatte, ohne sich vorher mit dem Engel abgestimmt zu haben. Er hatte versucht, ihn zu erreichen, aber Murat besaß ja nicht mal ein Handy. Wie immer man im Himmel miteinander kommuni zieren mochte, Handys waren dazu sicher nicht vonnöten. Also hatte er den Plan des Engels weiterentwickelt, inspiriert und mitgerissen von dem Gedanken, wieder ein voll funktionsfähiges Rädchen in Gottes großem Uhrwerk zu sein. Das jetzt aber leider klemmte.
    Der Baron beobachtete ihn aufmerksam. »Ja, das denken Sie, aber wenn Sie einen Blick in meine Seele werfen könnten, dann würden Sie dort Schönheit entdecken.« Er rutschte auf dem Hocker hin und her. »Und Sehnsucht. Sie würden erkennen, wie ähnlich wir uns sind – zwei Seiten des göttlichen Ebenbildes! Immer auf der Suche nach einer schöpferischen Gelegenheit.«
    Â»Wie die Madonna von Ignaz Günther?«
    Â»So ist es! Wenn man sie mir nicht so billig angeboten hätte, wäre ich nie darauf gekommen, dass sie gefälscht sein könnte. Täuschend echt, finden Sie nicht? Trotzdem habe ich die Gelegenheit erkannt und gefeilscht wie auf dem Basar, bis ich den Gauner bei fünfzigtausend hatte. Nun sagen Sie mir, wer lässt sich so weit herunterhan deln, wenn er einen echten Ignaz Günther in den Händen hält?«
    Â»Ein verzweifelter Mensch vielleicht. Sie sollten sich schämen.«
    Â»Ich bin doch selbst übers Ohr gehauen worden!«
    Â»Aber das wussten Sie nicht. Schämen Sie sich also trotzdem!«
    Â»Das werde ich, Monsignore. Die ganze Fahrt zurück nach Budapest mit meiner Million in der Tasche werde ich mich schämen.«
    Â»Der Herr wird Sie strafen!«
    Â»Der Herr kennt nicht mal meinen Namen.«
    Â»Glauben Sie mir, er kennt ihn. Und gerade jetzt setzt er ihn auf seine Watchlist und …« Wenzel unterbrach sich. »Andererseits …«
    Â»Andererseits?«
    Ja, andererseits was?! Wenzel überlegte fieberhaft, wie er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. Der Plan des Engels sah eine Situation wie diese nicht vor, und nach Lage der Dinge konnte er ihn auch nicht um Hilfe bitten. Aber er brauchte ihn, er brauchte eine Idee, er brauchte – Schutz! Hatte Murat nicht erzählt, seit Emmas Klage schöben alle Engel Doppel- und Dreifachschicht? Was war mit seinem eigenen Schutzengel, auf den er sich sein Leben lang verlassen hatte?
    Wenzel schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel: Engel, wenn es dich gibt, sieh, was mir widerfährt und walte deines Amtes . Hilf mir!
    Er hatte noch nicht auf Absenden gedrückt, da spürte er, wie eine große Gelassenheit ihn erfüllte, Serenitas Animae. Er fühlte sich an der Hand genommen und aus dem Tal der Finsternis geleitet. »Murat«, entfuhr es ihm.
    Â»Was haben Sie gesagt?«, fragte Salásy.
    Â»Nichts.« Wenzel seufzte erleichtert. »Mir ist nur gerade durch den Kopf gegangen, dass Jesus gesagt hat, eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Und wer immer diese Statue kaufen wird, muss ein sehr reicher Mann sein. Vielleicht wäre es nur eine lässliche Sünde, ihm etwas von seinem Reichtum abzuknöpfen …« Er wollte die Hände ausbreiten, aber dem standen die Fesseln an seinen Handgelenken im Weg. »Allerdings wird Ihr Plan nicht gelingen.«
    Â»Ach, und warum nicht?«
    Â»Ohne meine Echtheitsbestätigung wird das Auktions haus Brahms die Madonna niemals zur Versteigerung brin gen. Dank meiner Funktion am Erzbischöflichen Ordi nariat gelte ich als Koryphäe für sakrale Kunst. Als ich mir die Statue gestern angeschaut habe, ließ ich es mir angelegen sein, gewisse Zweifel an der Echtheit der Urheberschaft zu äußern.«
    Â»Aber am Telefon haben Sie gesagt, Sie hätten mit niemand …«
    Â»Ich habe gelogen. Keine Todsünde, bedenkt man, was ich mir sonst schon alles so zuschulden kommen lassen habe. Egal, was Sie unternehmen, Sie brauchen mich.«
    Ein lauernder Ausdruck trat in Salásys Augen. »Soll das etwa heißen, dass Sie bereit wären, mir zu helfen, Mon signore?«
    Â»Kommt darauf an.«
    Â»Worauf?«
    Â»Ob Sie bereit sind, meinen Vorschlag anzunehmen.«
    Â»Ich

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