Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
höre.«
»Statt der Madonna verkaufen Sie Ihre Seele. Aber nicht dem Teufel wie Doktor Faustus, sondern Gott.«
»Und wenn ich sie dem Teufel bereits versprochen habe?«
»Sagen Sie ihm auch, Sie hätten gelogen. Wenn es einer versteht, dann er.«
»Und was bekomme ich von Gott dafür?«
»Beträchtlich weniger als eine Million.«
»Wie viel?«, fragte Salásy gierig.
Der Monsignore hob die Arme und streckte Salásy schweigend die gefesselten Hände entgegen. Der Baron zögerte. Dann rutschte er von seinem Hocker und zog ein Schweizer Messer aus der Tasche, mit dem er die straff geschnürten Bindfäden an den Gelenken durchtrennte. »Aber keine Dummheiten, Monsignore«, warnte er.
»Ich bin ein Mann der Kirche, nicht der Gewalt.«
»Also, wie viel?«
»Sagen wir, ebenfalls fünfzigtausend.« Einen Mo ment stand der Baron mit halb geschlossenen Augen reg los da wie eine Wachsnachbildung von sich selbst bei Madame Tussauds. »Warum soll ich mich mit fünfzigtausend zufriedengeben, wenn ich eine Million haben kann?«
Wenzel rieb sich die Gelenke. »Weil Sie die Million bei der fragwürdigen Herkunft der Madonna nur über â« Er räuperte sich kurz. »Nur über meine Leiche erhal ten würden. Aber dann kämen Sie mit Gewissheit in die Hölle.«
»Wer weiÃ, ob es die überhaupt gibt«, meinte Salásy missmutig.
»Sie wissen, dass es sie gibt. Sie tragen sie in sich.«
»Wollen Sie mich erpressen, Monsignore?«
»Nur ein leichtes Zupfen auf der Streckbank Gottes, mein Sohn. Fünfzigtausend entspricht genau Ihrer Anfangsinvestition. Und sie sind risikofrei â nicht mal Fegefeuer, möchte ich meinen. Gott liegt nichts daran, Sie zu übervorteilen.«
»Cash?«
» Cash â Sie enttäuschen mich, Herr Baron! Ich dachte, Sie besitzen das Herz eines Kunstliebhabers. Was wäre denn schnöder Mammon gegen einen unbekannten Vermeer?«
In einem Zeichentrickfilm wäre in diesem Moment eine von Strahlen umgebene Glühbirne über Salásy Kopf erschienen. »Sie meinen den Akt aus dem Besitz von Herrn Honigfels?«
Der Monsignore nickte. »Jemand wie Sie könnte damit leicht um einiges mehr als hunderttausend erzielen, falls jemand wie ich Echtheit und Herkunft bestätigen würde ⦠Verstehen Sie?«
»O ja, ich verstehe! Sie sind ja ein â¦Â« Er unterbrach sich. »Ich begreife allerdings nicht ganz, was für Sie dabei drin ist.«
»Ich erhalte meinen Lohn in einer anderen Welt, mein Sohn.«
»Sehr gut, sehr gut, das gefällt mir â keine Provi sion.«
»Und natürlich die Madonna.«
»Die Madonna?« Erst jetzt schien Salásy den vol len Umfang der Transaktion zu begreifen. »Monsignore, Monsignore, so ganz jenseitig soll Ihr Lohn wohl doch nicht sein, wie? Klar, jemand in Ihrer Position bringt ein solches Objekt natürlich viel besser an den Kunden als ich.«
Wenzel schmunzelte. »Mit irgendetwas müssen wir den jungen Herrn Honigfels ja dazu bringen, dass er sich vom Vermeer trennt, ohne sofort Bargeld zu verlangen â das wir nun mal beide nicht haben.«
»Und nebenbei fällt vielleicht auch noch ein bisschen für die Kirche ab, oder?«, meinte Salásy beeindruckt. »Sie werden Honigfels schon nicht auf der Madonna sitzen lassen. Alle Achtung, ich ziehe den Hut vor Ihnen, Monsignore. Eben waren Sie noch mein Gefangener, jetzt sind wir Partner! Tja, der Herr hatâs gegeben, der Herr hatâs genommen, so heiÃt es doch bei Ihnen, nicht?« Er half Wenzel aufzustehen. »Und jetzt?«
»Jetzt rufe ich den, ähm, jetzt rufe ich Herrn Honig fels an, damit er mein â mein Lösegeld bringt. Ihr Strohmann holt die Madonna im Auktionshaus Brahms ab. Aber behandeln Sie sie ja vorsichtig. Und vergessen Sie mir die Expertisen nicht.« Er war schon an der Tür, als er doch noch fragen musste: »Ach, was hat denn eigentlich der Verkäufer der Statue über ihre Herkunft gesagt?«
Salásy schüttelte den Kopf. »Die reinste Räuberpistole. Meister Günther hat die Muttergottes seinerzeit angeblich im Auftrag des Erzbischofs von München und Freising angefertigt, der sie anlässlich eines Rombesuchs dem Papst mitgebracht haben soll. Der Heilige Vater hat sie der Legende zufolge bei der französischen Besatzung Italiens und des Vatikans 1797
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