Der Afghane
eine wahrhaft heilige Sache geschieht und automatisch den Segen Allahs in sich trägt, und dass dies ihren sofortigen Eingang ins Paradies garantiert, was auch den letzten Rest von Liebe zum Leben bedeutungslos werden lässt.
Er hatte auch gesehen, wie tief der Hass sein musste, der die schahid neben ihrer Liebe zu Allah erfüllte. Nur eine dieser beiden Regungen würde sie nicht so weit bringen. Der Hass war wie eine ätzende Säure in ihren Seelen, und Martin war davon umgeben.
Er hatte ihn in den Gesichtern der Abu-Sayyaf-Piraten gesehen, die sich genussvoll auf jede Gelegenheit stürzten, einen Westler umzubringen. Er hatte ihn in den Herzen der Araber gesehen, wenn sie um die Chance beteten, mit ihrem eigenen Tod so viele Christen, Juden und säkularisierte oder nachlässige Muslime wie möglich zu töten. Und vor allem hatte er ihn in den Augen al-Khattabs und Lampongs gesehen, gerade weil sie sich selbst besudelten, um inmitten der Feinde unbemerkt zu bleiben.
Langsam tuckerten sie den Flusslauf hinauf. Der Dschungel drängte zu beiden Seiten heran und verdunkelte allmählich auch den Himmel über ihnen. Martin betrachtete seine Begleiter. Sie alle empfanden den gleichen fanatischen Hass, und sie alle glaubten sich gesegnet wie kein anderer Wahrer Gläubiger auf Erden.
Martin war davon überzeugt, dass die Männer um ihn herum genauso wenig wussten wie er, auf welche Weise sie sich opfern würden, wohin die Reise ging, was ihr Ziel war, und womit sie es angreifen würden.
Sie wussten nur eines: Weil sie sich erboten hatten zu sterben und nach sorgfältiger Auswahl angenommen worden waren, würden sie den Großen Teufel auf eine Weise schlagen, von der man noch in hundert Jahren sprechen würde. Wie der Prophet vor langer Zeit unternahmen sie eine Reise in den Himmel, die Reise namens al-Isra.
Vor ihnen teilte sich der Flusslauf. Der tuckernde Kreuzer nahm den breiteren Abzweig, und als sie um eine Biegung kamen, lag vor ihnen ein Schiff an einem Anleger. Der Bug war flussabwärts gewandt, bereit zum Auslaufen auf das offene Meer. Die Deckladung befand sich offenbar in sechs Hochseecontainern auf dem Vorderdeck. Der Name des Schiffs war Countess of Richmond.
Einen Augenblick lang spielte Martin mit dem Gedanken, in den Dschungel zu flüchten. In Brunei, im tropischen Trainingscamp des SAS, hatte er eine wochenlange Dschungelausbildung absolviert. Aber kaum war ihm der Gedanke in den Sinn gekommen, wusste er auch, dass es hoffnungslos war. Ohne Kompass und Machete würde er keine Meile weit kommen, und innerhalb von einer Stunde würden sie ihn haben. Und dann würden tagelange, unsagbare Qualen folgen, wenn sie versuchten, ihm die Einzelheiten seines Auftrags abzupressen. Es hatte keinen Sinn. Er musste auf eine bessere Gelegenheit warten – falls sich je eine bieten sollte.
Nacheinander stiegen sie über die Leiter an Deck des Frachters hinauf: der Ingenieur, der Steuermann und der Funker, alle drei Indonesier, der Pakistani aus Großbritannien mit dem breiten nordenglischen Akzent – der, wie sich herausgestellt hatte, für den Fall dabei war, dass jemand darauf bestand, per Funk mit der Countess zu sprechen – und der Afghane, dem man zeigen konnte, wie man das Steuer bediente und einen Kurs hielt. Während der ganzen Vorbereitung auf Castle Forbes war unter all den Gesichtern bekannter Verdächtiger, die er stundenlang studiert hatte, keiner von ihnen dabei gewesen.
Als er an Deck kam, erwartete sie der Mann, der sie auf ihrer Mission der ewigen Seligkeit kommandieren würde. Und ihn erkannte der Ex-SAS-Mann. Aus der Schurkengalerie von Castle Forbes wusste er, dass es Jusuf Ibrahim war, Stellvertreter und rechte Hand al-Sarkawis, seines selbstmörderischen jordanischen Landsmanns.
In dieser Galerie hatte das Gesicht zur »ersten Abteilung« gehört. Der Mann war klein und stämmig, wie Martin es erwartet hatte, und der verkrüppelte linke Arm hing herab. Er hatte in Afghanistan gegen die Sowjets gekämpft und war bei einem Luftangriff durch mehrere Schrapnelle in diesen Arm getroffen worden. Statt eine saubere Amputation zu akzeptieren, ließ er das verstümmelte Glied lieber nutzlos baumeln.
Gerüchten zufolge war er dort gestorben. Aber sie stimmten nicht. Er war in den Höhlen zusammengeflickt und dann für eine bessere chirurgische Versorgung nach Pakistan geschmuggelt worden. Nach dem Abzug der Sowjets war er verschwunden.
2003, nach dem Einmarsch der Koalition in den Irak, war der Mann
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