Der Afghane
mit dem verkrüppelten Arm wieder aufgetaucht. Die Zeit, in der er als vermisst galt, hatte er unter der Taliban-Herrschaft als Sicherheitschef in einem al-Qaida-Ausbildungslager verbracht.
Für einen Augenblick blieb Mike Martin das Herz stehen: Vielleicht kannte der Mann Izmat Khan aus jenen Tagen und würde darüber reden. Aber der Missionskommandant starrte ihn nur mit seinen schwarzen, ausdruckslosen Augen an.
Zwanzig Jahre lang hatte dieser Mann getötet und getötet, und es gefiel ihm. Im Irak hatte er als Musab al-Sarkawis Adjutant vor laufender Kamera Menschen die Köpfe abgehackt, und es hatte ihm gefallen. Es gefiel ihm, sie flehen und schreien zu hören. Martin schaute in die leeren, manischen Augen und sprach die üblichen Begrüßungsworte. Friede sei mit dir, Jusuf Ibrahim, Schlächter von Kerbela.
VIERZEHN
Zwölf Stunden nach der Versenkung der Countess of Richmond kam die ehemalige Java Star aus der versteckten philippinischen Flussmündung. Sie ließ den Golf von Moro hinter sich, fuhr in die Celebes-See und ging dort auf den Süd-Südwest-Kurs, den die Countess durch die Straße von Makassar genommen hätte.
Der indonesische Steuermann stand am Ruder, neben ihm der britisch-pakistanische Teenager und der Afghane, dem er jetzt zeigte, wie man auf hoher See den Kurs hielt.
Seine beiden Schüler wussten es nicht, aber die Anti-Terror-Abteilung der internationalen Handelsschifffahrt beobachtete seit Jahren voller Ratlosigkeit, wie oft ein Schiff in diesen Gewässern gekapert und ein paar Stunden im Kreis herumgefahren worden war, während die Crew angekettet im Laderaum saß, nur um dann wieder aufgegeben zu werden.
Der Grund war einfach: Genau wie die Entführer von 9/11 ihre Praxis in amerikanischen Flugschulen erworben hatten, trainieren die Piraten des Fernen Ostens das Handling eines großen Schiffes auf hoher See. Der Indonesier am Ruder der neuen Countess war einer dieser »Fahrlehrer«.
Der Ingenieur unter Deck war Schiffbauingenieur gewesen, bis das Schiff, auf dem er arbeitete, von Abu Sayyaf gekapert worden war. Statt zu sterben, hatte er sich lieber den Terroristen angeschlossen und war einer von ihnen geworden.
Der dritte Indonesier hatte alles über den Funkverkehr zwischen Schiffen gelernt, als er im Büro des Hafenmeisters in einem Handelshafen in Nordborneo gearbeitet hatte, bis er als Muslim radikalisiert und in die Reihen von Jemaat Islamija aufgenommen worden war. Später hatte er mitgeholfen, die Bomben in den balinesischen Diskotheken zu legen.
Von allen acht brauchten nur diese drei nautische Kenntnisse. Der arabische Chemiker würde später für die Detonation der Sprengladung zuständig sein. Suleiman, der Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, würde die Bilder aufnehmen, die per Datenstrom die Welt erschüttern sollten. Der junge Pakistani würde, wenn es nötig wäre, Kapitän McKendricks nordenglischen Tonfall nachahmen. Und der Afghane würde in den Tagen, die vor ihnen lagen, den Steuermann ablösen.
Als der März zu Ende ging, hatte der Frühling die Bergkette der Cascades noch nicht einmal berührt. Es war bitterkalt, auf dem Wald vor den Mauern der Hütte lag dicker Schnee.
Drinnen war es behaglich warm. Der Feind war die Langeweile, trotz Fernseher, DVD-Filmen, Musik und Brettspielen. Wie Leuchtturmwärter hatten die Männer hier wenig zu tun, und der sechsmonatige Einsatz stellte ihre Fähigkeit zu innerer Einkehr und Selbstgenügsamkeit auf eine harte Probe.
Immerhin konnte die Wachmannschaft Skier oder Schneeschuhe anlegen und durch die Wälder streifen, um sich fit zu halten und ab und zu etwas anderes zu sehen als Schlafbaracke, Kantine und Freizeitraum. Für den Gefangenen, immun gegen alles Fraternisieren, war die Anspannung viel größer.
Izmat Khan hatte gehört, wie der Vorsitzende des Militärgerichts in Guantanamo ihn entließ, und er war überzeugt, dass Pul-i-Charki ihn nicht länger als ein Jahr hätte halten können. Als sie ihn dann – nach allem, was er wusste, für immer – in diese einsame Wildnis gebracht hatten, war es schwer gewesen, die schreiende Wut in seinem Herzen zu verbergen.
Also zog er die kapokgefütterte Jacke an, die sie ihm gegeben hatten, trat hinaus in den ummauerten Hof und ging dort auf und ab. Zehn Schritte lang, fünf Schritte breit. Er konnte es inzwischen mit geschlossenen Augen, ohne je gegen den Beton zu prallen. Die einzige Abwechslung fand sich gelegentlich am Himmel über ihm. Meistens
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