Der Afghane
deren Familien durchleuchtet wurden. Die Ermittlungen ergaben, dass alles in bester Ordnung war, als die Countess in Singapur ihre Jaguar-Fahrzeuge abgeliefert hatte. Kapitän McKendrick hatte dort im Hafen einen alten Freund aus Liverpool getroffen, und sie hatten ein Bier zusammen getrunken, bevor er ausgelaufen war. Und er hatte zu Hause angerufen.
Unabhängige Zeugen bestätigten, dass die Countess noch von ihrem rechtmäßigen Kapitän geführt wurde, als sie in Kinabalu die Edelholzfracht an Bord genommen hatte.
Aber bei einem Ortstermin in Surabaya auf Java stellte sich heraus, dass sie niemals dort gewesen war, um den zweiten Teil ihrer Fracht, asiatische Seidenstoffe, aufzunehmen. Gleichwohl hatten Siebart & Abercrombie in London von der Reederei die Bestätigung erhalten, dass sie es getan hatte. Also war diese Bestätigung gefälscht.
Man fertigte ein Phantombild von »Mr. Lampong« an, und die indonesische Heimatschutzbehörde erkannte einen Mann, der im Verdacht stand, Jemaat Islamija finanziell zu unterstützen, ohne dass man aber handfeste Beweise gehabt hätte. Er wurde zur Fahndung ausgeschrieben, doch der Terrorist war in den Menschenfluten Südostasiens untergetaucht.
Das Team kam zu dem Schluss, die Countess of Richmond sei in der Celebes-See gekapert und entführt worden. Man habe ihre Papiere, die ID-Codes und den Transponder entwendet und sie dann mitsamt der Besatzung versenkt. Die Verwandten wurden entsprechend informiert.
Die Informationen, die den Fall zum Abschluss brachten, kamen von Dr. Ali Aziz al-Khattab. Die Abhörprotokolle seiner Telefonate ergaben, dass er einen Flug in den Mittleren Osten gebucht hatte. Nach einer Konferenz im Thames House, dem Sitz des MI5, entschied man, das Maß sei voll. Ein Einsatzkommando der Polizei von Birmingham brach die Wohnungstür des kuwaitischen Akademikers auf, als die Lauscher bestätigten, dass er im Badezimmer war, und er wurde im Bademantel abgeführt.
Aber al-Khattab war clever. Trotz einer umfassenden Durchsuchung seiner Wohnung, seines Wagens und seines Büros sowie seines Handys und seines Laptops fand sich kein einziges belastendes Detail.
Er lächelte freundlich, und sein Anwalt legte Beschwerde ein und berief sich dabei auf die gesetzliche Vorschrift, dass die Polizei einen Verdächtigen ohne formelle Anklage nicht länger als achtundzwanzig Tage in Gewahrsam halten dürfe. Doch das Lächeln verging ihm, als er beim Verlassen des Gefängnisses Ihrer Majestät in Belmarsh sogleich wieder festgenommen wurde – diesmal aufgrund eines Auslieferungsantrags der Vereinigten Arabischen Emirate.
Die dortige Gesetzgebung sieht keinerlei Zeitbeschränkung vor. Al-Khattab kehrte geradewegs in seine Zelle zurück. Diesmal erhob sein Anwalt energisch Einspruch gegen die Auslieferung. Als Kuwaiti sei er nicht einmal Bürger der Arabischen Emirate. Aber darum ging es nicht.
Die Antiterror-Zentrale in Dubai war verblüffenderweise in den Besitz eines Stapels Fotos gekommen. Sie zeigten al-Khattab im vertrauten Gespräch mit einem bekannten al-Qaida-Kurier, einem Dhau-Kapitän, der seit längerem überwacht wurde. Andere zeigten ihn beim Betreten und Verlassen einer Villa am Rande von Ras al-Khaimah, die als Terroristenversteck bekannt war. Der Londoner Richter war beeindruckt und verfügte die Auslieferung.
Al-Khattab legte Widerspruch ein – und verlor. Angesichts der Wahl zwischen dem zweifelhaften Charme des Gefängnisses Ihrer Majestät und einer athletischen Vernehmung durch Special Forces in einem Wüstenstützpunkt am Golf bat er darum, als Gast der Queen im Land bleiben zu dürfen.
Das war ein Problem. Die Briten erklärten, sie hätten keine Grundlage für eine Inhaftierung und erst recht kein Material, das die Einleitung eines Gerichtsverfahrens gerechtfertigt hätte. Al-Khattab war schon auf halbem Wege zum Flughafen Heathrow, als er einen Handel anbot und zu reden begann.
Nachdem er einmal angefangen hatte, berichteten die Gäste von der CIA, die bei den Vernehmungen dabeisaßen, war es, als breche der Boulder-Damm. Er ließ über hundert al-Qaida-Agenten auffliegen, die bis dahin eine blütenreine Weste gehabt hatten und den angloamerikanischen Nachrichtendiensten unbekannt gewesen waren, und verriet vierundzwanzig versteckte Bankkonten.
Als die Vernehmungsbeamten ein al-Qaida-Projekt namens al-Isra erwähnten, verschlug es dem Kuwaiti die Sprache. Er hatte nicht geahnt, dass jemand davon wusste. Aber dann fing er wieder
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