Der Afghane
Jahren bei Ihren Leuten in Camp Delta?«
Der Amerikaner aus Langley zuckte die Achseln.
»Er ist tough, Mike. Sehr, sehr hart. Er kam mit einer schweren Kopfverletzung und doppelter Gehirnerschütterung, die er sich bei der Gefangennahme zugezogen hatte. Anfangs dachten unsere Ärzte, er sei vielleicht … na ja … ein bisschen einfältig. Zurückgeblieben. War aber nur total desorientiert. Die Gehirnerschütterung, die weite Reise. Das war Anfang Dezember 2001, kurz nach 9/11. Man hatte ihn … wie soll ich sagen … unsanft behandelt. Dann nahm die Natur ihren Lauf, und er erholte sich so weit, dass man ihn verhören konnte.«
»Und was hat er gesagt?«
»Nicht sehr viel. Nur seinen Namen und woher er kommt. Hat allem widerstanden, dem Dritten Grad und allen Angeboten, die man ihm machte. Starrt uns nur an, und was die Soldaten in diesen schwarzen Augen sehen, ist keine Bruderliebe. Darum sitzt er im Hochsicherheitstrakt. Aber von anderen wissen wir, dass er ein ganz passables Arabisch spricht, das er in Afghanistan gelernt hat, und davor war er ein paar Jahre auf einer madrasa, wo er den Koran auswendig gelernt hat. Und zwei in Großbritannien geborene al-Qaida-Freiwillige, die mit ihm zusammen inhaftiert waren und inzwischen entlassen wurden, berichten, dass er ein gebrochenes Englisch spricht, das sie ihm beigebracht haben.«
Martin sah Steve Hill scharf an.
»Die beiden müssten festgenommen und in Quarantäne gesteckt werden«, sagte er. Hill nickte.
»Natürlich. Das lässt sich machen.«
Marek Gumienny stand auf und schlenderte um die Scheune herum, während Martin die Akte studierte. Danach starrte Martin ins Feuer, und in der Tiefe der Glut sah er einen trostlosen, kahlen Berghang in einem fernen Land. Zwei Männer, ein paar Felsen, ein sowjetischer Kampfhubschrauber, der zum Angriff einschwenkte. Ein Wispern von dem Jungen mit dem Turban: »Werden wir sterben, Anglies?« Gumienny kam zurück, hockte sich auf den Boden und stocherte im Feuer. Das Bild verschwand in einem Funkenregen.
»Ein beachtliches Projekt, das Sie sich da vorgenommen haben, Mike. Ich habe den Eindruck, hier gibt's Arbeit für eine ganze Handwerkerkolonne. Sie machen das alles selbst?«
»So viel, wie ich kann. Zum ersten Mal seit fünfundzwanzig Jahren habe ich die Zeit dazu.«
»Aber nicht das Geld, was?«
Martin zuckte die Achseln. »Es gibt dutzendweise Sicherheitsfirmen, wenn ich einen Job haben wollte. Allein der Irak hat mehr professionelle Bodyguards hervorgebracht, als man zählen kann, und immer noch werden welche gesucht. Sie arbeiten für Ihre Jungs im Sunni-Dreieck und verdienen da in einer Woche mehr als in einem halben Jahr als Soldaten.«
»Aber das hieße: zurück zum Staub, zum Sand, zur Gefahr, zu einem frühen Tod. Haben Sie sich nicht gerade davon zurückgezogen?«
»Und was haben Sie mir zu bieten? Einen Urlaub mit al-Qaida auf den Florida Keys?«
Marek Gumienny hatte den Anstand zu lachen.
»Den Amerikanern wird manches vorgeworfen, Mike, aber dass sie gegenüber denen, die ihnen helfen, nicht großzügig wären, hört man selten. Ich denke an einen Beratervertrag von, sagen wir, zweihunderttausend Dollar pro Jahr über fünf Jahre. Zahlbar auf ein Auslandskonto – wir wollen das Finanzamt nicht beunruhigen. Und Sie brauchen nicht ins Büro zu kommen. Müssen nie wieder irgendwohin, wo es gefährlich ist.«
Mike Martins Gedanken wanderten zu einer Szene in seinem Lieblingsfilm. T. E. Lawrence hat Auda Abu Tayi Geld geboten, damit er sich seinem Angriff auf Akaba anschließt. Und Mike dachte an die großartige Antwort: Auda wird nicht für britisches Gold nach Akaba reiten. Er wird nach Akaba reiten, weil es ihm gefällt.
Er stand auf.
»Steve, ich möchte, dass mein Haus von oben bis unten in Planen gehüllt wird. Wenn ich zurückkomme, möchte ich es genau so vorfinden, wie ich es hinterlassen habe.«
Der Führungsoffizier Nahost nickte. »Abgemacht«, sagte er.
»Ich hole meine Sachen. Viel ist es nicht. Passt in einen Stiefel.«
Und so wurde der Gegenschlag des Westens gegen Projekt Stingray unter den Apfelbäumen eines Obstgartens in Hampshire vereinbart. Zwei Tage später fand der Zufallsgenerator eines Computers dafür den Codenamen »Operation Crowbar«.
Zur Rede gestellt, hätte Mike Martin nichts zu seiner Verteidigung vorbringen können. Aber unter all den Informationen, die er ihnen später über den Afghanen gab, der einmal sein Freund gewesen war, war ein Detail, das er
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