Der Afghane
weiter. Als Vizepräsident Saddam Hussein anfing, die ausländischen Ölfirmen zu verstaatlichen und dies 1972 auch mit Anglo-Iraq Petroleum tat, hielt Martin noch drei Jahre durch, und 1975 brachte er seine Familie nach Hause. Da war Mike dreizehn und alt genug für die Senior School in Haileybury.
Marek Gumienny brauchte eine Pause und einen Kaffee.
»Er könnte es, wissen Sie«, sagte er, als er von der Toilette zurückkam. »Mit genügend Training und Unterstützung könnte er es tatsächlich. »Wo ist er jetzt?«
»Abgesehen von zwei Einsätzen bei uns, zu denen wir ihn ausgeborgt haben, hat er seine militärische Laufbahn abwechselnd bei den Fallschirmjägern und den Special Forces absolviert. Hat sich letztes Jahr zur Ruhe gesetzt, nachdem er seine fünfundzwanzig Jahre abgedient hatte. Und nein, es würde nicht funktionieren.«
»Warum nicht, Steve? Er hat alles, was so einer braucht.«
»Nur nicht den Hintergrund. Die Eltern, die weit verzweigte Familie, den Geburtsort. Man spaziert nicht einfach bei al-Qaida hinein – höchstens als jugendlicher Freiwilliger für eine Selbstmordmission, als Subalterner, als Laufbursche. Jemand, der so viel Vertrauen genießt, dass er in die Nähe dieses hochkarätigen Projekts kommen könnte, müsste zehn Jahre bei denen hinter sich haben. Das ist der entscheidende Haken, Marek, und es bleibt der entscheidende Haken. Es sei denn …«
Er versank in Gedanken. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Es sei denn?«, fragte der Amerikaner.
»Nein, es ist keine Option«, wehrte Hill ab.
»Sagen Sie's trotzdem.«
»Ich dachte an einen Doppelgänger. Einen Mann, dessen Platz er einnehmen könnte. Aber auch das hat einen Haken. Wenn der echte Mann noch lebte, hätte al-Qaida ihn in ihren Reihen. Wenn er tot wäre, wüssten sie es. Das läuft also nicht.«
»Die Akte ist dick«, sagte Marek Gumienny. »Kann ich sie mitnehmen?«
»Das ist selbstverständlich eine Kopie. Nur für Sie?«
»Sie haben mein Wort, alter Junge. Nur für mich. Und für meinen Privatsafe. Oder den Verbrennungsofen.«
Der DDO flog zurück nach Langley, aber ein paar Tage später rief er wieder an. Steve Hill nahm den Anruf an seinem Schreibtisch in Vauxhall Cross entgegen.
»Ich glaube, ich setze mich noch einmal ins Flugzeug«, sagte der DDO ohne Einleitung. Beide Männer wussten, dass der britische Premierminister seinem Freund im Weißen Haus inzwischen die totale Kooperation der britischen Seite bei der Aufspürung des Projekts Stingray zugesichert hatte.
»Kein Problem, Marek. Haben Sie einen Durchbruch erzielt?« Insgeheim war Steve Hill neugierig. Angesichts moderner Technologie gibt es nichts, was nicht absolut geheim und innerhalb von Sekunden zwischen CIA und SIS hin- und hergeleitet werden könnte. Warum also fliegen?
»Der Doppelgänger«, sagte Gumienny. »Ich glaube, ich habe ihn. Zehn Jahre jünger, sieht aber älter aus. Größe und Figur stimmen. Das gleiche dunkle Gesicht. Ein al-Qaida-Veteran.«
»Klingt gut. Aber wieso ist er nicht bei den Bösen?«
»Weil er bei uns ist. Er sitzt in Guantanamo. Seit fünf Jahren.«
»Ein Araber?« Hill war überrascht. Wenn ein hochrangiger Araber von al-Qaida seit fünf Jahren in Gitmo säße, müsste er es eigentlich wissen.
»Nein, ein Afghane. Er heißt Izmat Khan. Ich bin schon unterwegs.«
Eine Woche nach dem Meeting in Fort Meade konnte Terry Martin immer noch nicht schlafen. Was für eine törichte Bemerkung. Warum konnte er nicht den Mund halten? Warum musste er mit seinem Bruder angeben? Wenn Ben Jolley nun etwas ausgeplaudert hatte? Was Klatsch und Tratsch anging, war Washington ein riesiges Dorf. Schließlich rief er seinen Bruder an.
Mike Martin war dabei, die letzte Reihe unbeschädigter Pfannen von seinem kostbaren Dach abzulösen. Endlich konnte er anfangen, die Isolierschicht zu verlegen und die Quersparren darüberzunageln. Innerhalb einer Woche konnte das Dach wasserdicht sein. Er hörte die Melodie seines Handys. Es steckte in der Tasche seiner Jacke, die in der Nähe an einem Nagel hing. Vorsichtig schob er sich über die jetzt gefährlich zerbrechlich aussehenden Dachbalken, um es herauszuholen. Auf dem Display sah er, dass sein Bruder aus Washington anrief.
»Hi, Terry.«
»Mike, ich bin's.« Er begriff immer noch nicht, warum die Leute, die er anrief, jedes Mal wussten, wer er war. »Ich habe etwas Dummes getan, und ich möchte mich bei dir entschuldigen. Vor einer Woche habe ich mich
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