Der Afghane
Granger, wie er groß, rotgesichtig, mit blondem Schnurrbart, eine Pfeife im Mund und ein Gewehr in der Hand, neben einem erlegten Tiger stand.
Und es gab Bilder von Miss Indira Bohse: sanft, liebevoll und sehr schön. Als Terence Granger sich von dieser Verbindung nicht abbringen ließ, fand die Tea Company, statt einen zweiten Skandal auszulösen, indem sie ihn feuerte, eine bessere Lösung. Sie versetzte das junge Paar in die Wildnis von Assam an der burmesischen Grenze.
Wenn das als Strafe gedacht war, so funktionierte es nicht. Granger und seine junge Frau liebten das Leben dort oben in dieser wilden, zerklüfteten Landschaft, in der es von Großwild und Tigern wimmelte. Susan kam 1930 dort zur Welt. 1943 war der Krieg bis nach Assam vorgedrungen, und die Japaner rückten durch Burma bis an die Grenze vor. Terence Granger war zwar alt genug, um dem Militärdienst zu entgehen, aber er meldete sich freiwillig und fiel 1945 bei der Überschreitung des Irrawaddyflusses.
Mit ihrer kleinen Witwenrente von der Tea Company blieb Indira Granger nichts anderes übrig, als in ihre eigene Kultur zurückzukehren. Zwei Jahre später gab es neue Probleme: Indien wurde aufgeteilt und in die Unabhängigkeit entlassen. Ali Jinnah beharrte auf einem muslimischen Pakistan im Norden, Nehru gab sich mit einem überwiegend hinduistischen Indien im Süden zufrieden. Wellen von Flüchtlingen fluteten nach Norden und nach Süden, und es kam zu wütenden Kämpfen.
Aus Angst um die Sicherheit ihrer Tochter schickte Mrs. Granger Susan nach England zum jüngeren Bruder ihres gefallenen Ehemanns, einem gut situierten Architekten in Haslemere, Surrey. Sechs Monate später verlor die Mutter bei den Unruhen ihr Leben.
Susan Granger kam mit siebzehn in das Land ihrer Väter, das sie nie gesehen hatte. Sie verbrachte ein Jahr auf einer Mädchenschule und dann drei als Krankenschwester im Farnham General Hospital. Als sie mit einundzwanzig das zulässige Eintrittsalter erreicht hatte, bewarb sie sich als Stewardess bei der British Overseas Airways Corporation. Sie war umwerfend schön mit ihren kastanienbraunen Locken, den blauen Augen ihres Vaters und der Haut eines englischen Mädchens mit einer honig-goldenen Sonnenbräune.
Weil sie fließend Hindi sprach, setzte die BOAC sie auf der Strecke London-Bombay ein. Damals war dieser Flug lang und umständlich: von London über Rom nach Kairo und weiter über Basra, Bahrain und Karachi nach Bombay. Keine Crew flog die ganze Strecke; die erste Auswechselung geschah bei der Zwischenlandung in Basra im Südirak. Dort lernte Susan 1951 im Country Club Nigel Martin kennen, der als Buchhalter bei einer Ölfirma arbeitete, und sie heirateten 1952.
Sie mussten zehn Jahre auf die Geburt ihres ersten Sohnes Michael warten, und noch einmal drei Jahre später kam der zweite, Terry, zur Welt. Die beiden Jungen unterschieden sich wie Tag und Nacht.
Marek Gumienny betrachtete das Foto in der Akte. Das war keine Sonnenbräune, sondern ein von Natur aus dunkler Teint. Schwarzes Haar, dunkle Augen. Er sah, dass die Gene der Großmutter eine Generation übersprungen hatten und beim Enkel wieder zutage getreten waren. Mike hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit seinem Bruder, dem Professor in Georgetown, der mit seinem rosigen Gesicht und den rötlich-blonden Haaren seinem Vater glich.
Er dachte an Dr. Ben Jolley und seine Einwände. Wenn ein Infiltrator bei al-Qaida eine Chance haben sollte, musste er seiner Rolle entsprechend aussehen und sprechen können. Gumienny überflog den Rest der Kindheit.
Sie waren beide nacheinander zur angloirakischen Schule gegangen und hatten auch bei ihrer dada gelernt, ihrem Kindermädchen, der sanften, rundlichen Fatima, die vom Land kam und zu ihrem Stamm zurückkehren würde, wenn sie genug Geld gespart hatte, um einen anständigen jungen Ehemann zu finden.
Gumienny stieß auf eine Bemerkung, die nur aus einem Interview mit Terry Martin stammen konnte: wie der ältere Junge in seinem weißen irakischen Gewand auf dem Rasen vor dem Haus im Vorort Saadun herumtobte und die entzückten irakischen Gäste seines Vaters lachten und riefen: »Aber Nigel, er ist ja eher einer von uns!«
Eher einer von uns, dachte Marek Gumienny. Eher einer von ihnen. Zwei der vier Punkte, die Ben Jolley aufgezählt hatte: Er sah aus wie ein Araber, und er sprach Arabisch wie ein Araber. Mit einer intensiven Ausbildung würde er doch sicher auch die Gebetsrituale meistern.
Der CIA-Mann las
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