Der Afghane
Fallschirmjägerbataillon bekam den Befehl, sich marschbereit zu machen.
Innerhalb einer Woche, angetrieben von der unversöhnlichen Margaret Thatcher, war eine britische Taskforce aus einer Flotte von Schiffen auf dem Weg nach Süden und nahm Kurs auf das andere Ende des Atlantiks, wo der südliche Winter mit tosender See und stürmischem Regen auf sie wartete.
Die Reise zur Südhalbkugel machten sie auf dem Liner Canberra. Bei Ascension Island, einem trostlosen, sturmgepeitschten Felsen im Ozean, unterbrachen sie die Fahrt und warteten ab, während in weiter Ferne die letzten diplomatischen Versuche unternommen wurden, Galtieri zum Abzug oder Thatcher zum Nachgeben zu bewegen. Aber keiner der beiden konnte darauf hoffen, im Amt zu überleben, ohne hart zu bleiben. Die Canberra fuhr weiter im Kielwasser der beiden Flugzeugträger der Expedition, Hermes und Invincible.
Als klar war, dass die Invasion der Falklands unvermeidlich war, wurde Martin mit seinen Leuten per Hubschrauber von der Canberra auf ein Landungsboot gebracht. Jetzt war es vorbei mit den zivilisierten Verhältnissen auf dem Liner. In derselben stürmischen Nacht, in der Martin und seine Männer in »Sea King«-Hubschraubern auf die Boote gebracht wurden, stürzte ein anderer Sea King ab und versank, und mit ihm neunzehn Mann vom Special Air Service Regiment – der größte Verlust, den der SAS in einer Nacht jemals hinnehmen musste.
Martin brachte seine dreißig Mann mit dem Rest des Dritten Fallschirmjägerbataillons bei San Carlos Water an Land. Der Landeplatz lag meilenweit von der Hauptstadt Port Stanley auf der Hauptinsel entfernt, aber aus diesem Grund gab es hier keinen Widerstand. Ohne eine Pause einzulegen, begannen die Fallschirmjäger und Marineinfanteristen in Schlamm und Regen einen zermürbenden Gewaltmarsch in Richtung Osten, auf die Hauptstadt zu.
Ihre Rucksäcke waren so schwer wie ein zweiter Mann auf ihrem Rücken. Immer wenn ein argentinischer Skyhawk auftauchte, mussten sie sich bäuchlings in den Schlamm werfen, aber die »Argies« hatten es vor allem auf die Schiffe vor der Küste abgesehen, nicht auf die Männer am Boden unter ihnen. Wenn sie die Schiffe versenkten, wären auch die gelandeten Truppen erledigt.
Der eigentliche Feind war die Kälte, der unablässige eisige Regen, der erschöpfende Marsch durch eine Landschaft, in der nicht ein einziger Baum wuchs. Bis zum Mount Longdon.
Am Fuße der Berge bezogen die Fallschirmjäger ihre Position in einer einsamen Farm namens Estancia House und machten sich bereit, das zu tun, wozu ihr Land sie die Reise von siebentausend Meilen hatte machen lassen. Es war die Nacht vom 11. auf den 12. Juni.
Es sollte ein lautloser Nachtangriff werden, und das blieb es auch, bis Corporal Milne auf eine Mine trat. Danach wurde es laut. Die argentinischen Maschinengewehre eröffneten das Feuer, und Leuchtkugeln strahlten taghell über den Bergen und dem Tal. Das Fallschirmjägerbataillon konnte sich entweder zurück in die Deckung flüchten oder vorwärts ins Feuer stürmen und Longdon erobern. Sie eroberten Longdon – zum Preis von dreiundzwanzig Gefallenen und über vierzig Verwundeten.
Als die Kugeln um seinen Kopf herum pfiffen und die Männer neben ihm fielen, spürte Mike Martin zum ersten Mal jenen seltsamen Kupfergeschmack auf der Zunge: den Geschmack der Angst.
Aber er blieb unversehrt. Von den dreißig Mann seines Zuges, darunter ein Sergeant und drei Corporals, waren sechs gefallen und neun verwundet.
Die argentinischen Soldaten, die den Höhenzug hielten, waren dienstpflichtige Rekruten, junge Männer aus der sonnigen Pampa – die Söhne der wohlhabenden Familien konnten sich vor dem Militärdienst drücken –, und sie wollten nach Hause, hinaus aus der Kälte, dem Regen und dem Schlamm. Sie hatten ihre Bunker und Unterstände verlassen und flüchteten zurück ins sichere Port Stanley.
Im Morgengrauen stand Mike oben auf dem Kamm von Wireless Ridge und schaute nach Osten, zur Stadt und in die aufgehende Sonne, und er entdeckte den Gott seiner Väter wieder, den er so viele Jahre hindurch vernachlässigt hatte. Er sprach ein Dankgebet und schwor sich, es nie wieder zu vergessen.
Um die Zeit, als der zehnjährige Mike Martin zur Freude der irakischen Gäste in Saadun, Bagdad, im Garten seines Vaters herumtollte, wurde tausend Meilen weit entfernt ein Junge geboren.
Westlich der Straße vom pakistanischen Peschawar nach Jalalabad in Afghanistan liegt die Bergkette
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