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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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nach Pakistan retteten.
    Natürlich benötigte der kleine Konvoi einen männlichen Beschützer für den Marsch und den Aufenthalt in Peschawar, so lange der auch dauern mochte. Als mahram bestimmte er seinen eigenen Vater, der über sechzig und steifgliedrig war. Esel und Maultiere wurden für die Reise bereitgestellt.
    Der achtjährige Izmat Khan kämpfte mit den Tränen der Beschämung, als er wie ein Kind fortgeschickt wurde. Er ließ sich von Vater und Bruder umarmen, nahm den Zügel des Maultiers, auf dem seine Mutter saß, und wandte sich den hohen Gipfeln und der pakistanischen Grenze zu. Sieben Jahre sollten vergehen, bis er aus dem Exil zurückkehrte, und wenn er schließlich käme, würde er mit kalter Wut gegen die Russen kämpfen.
    Um sich vor den Augen der Welt zu legitimieren, waren die Warlords übereingekommen, dass jeder von ihnen eine politische Partei gründete. Yunis Khalis nannte die seine Hizb-i-Islami, und jeder, der in seinem Herrschaftsbereich lebte, musste Mitglied werden. Außerhalb von Peschawar war eine Vielzahl von Zeltstädten aus dem Boden geschossen; sie standen unter der Schirmherrschaft einer Einrichtung, die sich Vereinte Nationen nannte, aber davon hatte Izmat Khan noch nie gehört. Die UN hatten zugestimmt, dass jeder der Warlords, die sich jetzt als Führer politischer Parteien maskiert hatten, ein eigenes Flüchtlingscamp bekommen sollte und dass dort niemand Zugang fand, der nicht der entsprechenden Partei angehörte.
    Eine andere Organisation verteilte Lebensmittel und Decken. Ihr Zeichen war ein gedrungenes rotes Kreuz. Auch das hatte Izmat Khan noch nie gesehen, aber heiße Suppe kannte er, und nach dem mühseligen Marsch über die Berge war er froh, dass er reichlich davon bekam.
    Und eine weitere Bedingung mussten die Bewohner der Camps und die Nutznießer der westlichen Großzügigkeit, die über die Vereinten Nationen und General Zia-ul-Haq zu ihnen gelangte, auch noch erfüllen: Die Jungen mussten die Koranschule, die madrasa, besuchen, die es in jedem Flüchtlingslager gab. Eine andere Schulbildung würden sie nicht erhalten, keinen Mathematik- und keinen Physikunterricht, weder Geschichte noch Erdkunde. Sie würden nur die Verse des Korans auswendig lernen – und sie würden lernen, was Krieg war.
    Die Imame in diesen madrasas wurden zum größten Teil von Saudi-Arabien gestellt, bezahlt und unterstützt, und viele von ihnen waren Saudis. Sie brachten den Islam in der einzigen Version, die in Saudi-Arabien erlaubt ist, nämlich den Wahhabismus, die strengste und intoleranteste Glaubensrichtung dieser Religion. So kam es, dass in Sichtweite des Kreuzes, das Lebensmittel und Medikamente brachte, eine ganze Generation von jungen Afghanen zu Fanatikern abgerichtet wurde.
    Nuri Khan besuchte seine Familie, so oft er konnte, zwei- oder dreimal im Jahr, wobei er seine lashkar unter dem Kommando seines ältesten Sohnes zurückließ. Aber es war eine beschwerliche Reise, und Nuri Khan sah jedes Mal älter aus. Bei seiner Ankunft 1987 war sein Gesicht faltig vor Kummer. Izmats älterer Bruder war gefallen, als er bei einem Bombenangriff die anderen in die sicheren Höhlen geführt hatte. Izmat war fünfzehn, und bei dem Befehl seines Vaters, zurückzukommen, sich dem Widerstand anzuschließen und Mudschahid zu werden, platzte er fast vor Stolz.
    Natürlich gab es Tränen bei den Frauen und Murren des Großvaters, der den nächsten Winter in der Ebene von Peschawar nicht überleben würde. Nuri Khan, sein letzter Sohn und die acht Mann, die er mitgebracht hatte, damit sie ihre Familien besuchten, wandten sich westwärts und kehrten über die Berge zurück in die Provinz Nangarhar und in den Krieg.
    Der Junge, der da zurückkam, war verändert, und das Land, das er vorfand, war zertrümmert. In all den Hochtälern stand kaum noch eine Steinhütte. Die Sukhoi-Kampfbomber und die Hind-Hubschrauber hatten die Hochlandtäler verwüstet, vom Pandschir im Norden, wo Schah Massud kämpfte, bis hinunter nach Paktia und den Shinkay-Bergen. Die Menschen in den Ebenen ließen sich durch das afghanische Militär unter Kontrolle halten, aber vor allem von der Khad, der Geheimpolizei, die der sowjetische KGB ausgebildet und hart gemacht hatte.
    Aber die Bergbewohner und diejenigen aus den Ebenen und Großstädten, die sich ihnen angeschlossen hatten, waren widerspenstig und, wie sich am Ende zeigte, unbesiegbar. Trotz aller Deckung aus der Luft, wie die Briten sie nie gehabt hatten, erlebten

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