Der Afghane
Auswertung aufgezeichnet. Die dringlichste Aufgabe war jetzt, den Anrufer zu lokalisieren. Der diensthabende Major bezweifelte, dass dies mit einem einzigen kurzen Telefonat gelingen konnte.
An seinem Schreibtisch hoch über den unterirdischen Räumen des CTC drückte der Major nacheinander drei Kurzwahltasten, und im Büro des Leiters der Außenstelle in Peschawar klingelte das Telefon.
Jahre zuvor, und sicherlich vor dem heute als 9/11 bekannten Ereignis, der Zerstörung des World Trade Center am 11. September 2001, war der militärische Nachrichtendienst Pakistans, das Inter-Services Intelligence Department oder kurz ISI, von fundamentalistischen Muslimen der pakistanischen Armee unterwandert gewesen. Das war sein Problem und der Grund für seine umfassende Unzuverlässigkeit im Kampf gegen die Taliban und ihre Gäste von al-Qaida.
Doch dem pakistanischen Präsidenten General Musharraf war wenig anderes übrig geblieben, als den nachdrücklich formulierten »Rat« der USA zu befolgen und sein Haus zu säubern. Ein Teil dieses Programms bestand in der kontinuierlichen Rückversetzung extremistischer ISI-Offiziere in den normalen Militärdienst; ein anderer Teil war die Einrichtung der Eliteabteilung CTC innerhalb des ISI, besetzt mit einer neuen Generation junger Offiziere, die für islamistischen Terror nichts übrighatten, so fromm sie auch sein mochten. Einer von ihnen war der ehemalige Panzerkommandeur Colonel Abdul Razak. Er leitete das CTC in Peschawar, und er nahm den Anruf um vierzehn Uhr dreißig entgegen.
Er hörte seinem Kollegen aus der Hauptstadt aufmerksam zu und fragte dann: »Wie lange?«
»Bisher ungefähr drei Minuten.«
Colonel Razaks Büro lag zum Glück nur achthundert Meter weit vom Paktel-Sendemast entfernt, innerhalb des Radius von maximal tausend Metern, in dem sein Ortungsgerät zuverlässig funktionierte. Mit zwei Technikern stürmte er auf das Flachdach des Bürogebäudes, und das Peilgerät suchte die Stadt ab und grenzte die Herkunft des Signals immer weiter ein.
In Islamabad meldete der Sergeant im Abhörraum seinem Vorgesetzten: »Das Gespräch ist beendet.«
»Verdammt«, knurrte der Major. »Drei Minuten und vierundvierzig Sekunden. Na ja, mehr konnte man kaum erwarten.«
»Aber anscheinend hat er das Handy nicht abgeschaltet«, sagte der Sergeant.
In der Wohnung im obersten Stock eines Hauses in der Altstadt von Peschawar hatte Abdelahi seinen zweiten Fehler begangen. Als er hörte, wie der Ägypter aus seinem Zimmer kam, beendete er hastig das Gespräch mit seinem Bruder und schob das Handy unter ein Kissen. Aber er vergaß, es abzuschalten. Colonel Razaks nur eine halbe Meile entfernter Peilstrahl kam immer näher.
Sowohl der britische Geheimdienst, der Secret Intelligence Service SIS, und die amerikanische Central Intelligence Agency CIA betreiben umfangreiche Niederlassungen in Pakistan – aus naheliegenden Gründen. Pakistan ist eine der Hauptkriegszonen im derzeitigen Kampf gegen den Terrorismus. Die Stärke der westlichen Allianz beruht – schon seit 1945 – nicht zuletzt auf der guten Zusammenarbeit der beiden Dienste.
Es hat Streitigkeiten gegeben, besonders anlässlich der Welle britischer Verräter, angefangen mit Philby, Burgess und McLean im Jahr 1951. Dann mussten die Amerikaner erkennen, dass auch sie auf eine ganze Schurkengalerie von Verrätern hereingefallen waren, die für Moskau arbeiteten, und damit hörte der Hickhack zwischen den beiden Geheimdiensten auf. Das Ende des Kalten Krieges 1991 verleitete Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks zu der törichten Annahme, dass jetzt endlich dauerhafter Frieden eingekehrt sei. Doch genau in diesem Augenblick wurde lautlos und verborgen in den Tiefen des Islam ein neuer Kalter Krieg geboren.
Nach dem 11. September gab es keine Rivalitäten mehr, und selbst die traditionellen Kuhhändel hörten auf. Die neue Regel hieß: Wenn wir was haben, bekommt ihr etwas davon ab. Und umgekehrt. Beiträge zu diesem gemeinsamen Kampf kommen von einer Vielzahl anderer ausländischer Dienste, aber niemand arbeitet so eng zusammen wie die Informationssammler der Anglosphäre.
Colonel Razak kannte die beiden Geheimdienstchefs in seiner Stadt. Sein persönliches Verhältnis zu dem SIS-Mann Brian O'Dowd war das bessere, und das auffällige Handy war von den Briten entdeckt worden. Also rief er zuerst O'Dowd an, als er vom Dach kam.
In diesem Augenblick ging Mr. al-Qur ins Bad, und Abdelahi langte unter das Kissen, um
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