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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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anführte, sah befriedigt, dass die Afghanen kein Risiko eingegangen waren. Neben dem Gefangenentransporter standen zwanzig Soldaten der afghanischen Special Forces unter Führung von Brigadier Yusuf.
    Der Major trabte die Rampe hinunter, um den Papierkram zu erledigen, bevor er den Gefangenen übergab. Das dauerte nicht lange. Dann nickte er seinen Kollegen zu. Sie schlossen die Kette auf, mit der der Afghane an der Innenwand befestigt war, und führten ihn mit schlurfenden Schritten hinaus in den eisigen afghanischen Winter. Die Soldaten nahmen ihn in die Mitte, zerrten ihn zu dem Gefangenentransporter und stießen ihn hinein. Die Tür schlug zu. Der amerikanische Major entschied, dass er mit dem Mann nicht würde tauschen wollen. Er salutierte vor dem Brigadier, und der erwiderte den Gruß.
    »Passen Sie gut auf ihn auf«, sagte der Amerikaner. »Das ist ein ziemlich harter Mann.«
    »Keine Sorge, Major«, antwortete der afghanische Offizier. »Er wird den Rest seines Lebens im Gefängnis Pul-i-Charki verbringen.«
    Kurz darauf fuhr der Gefängnisbus davon, und die afghanischen Soldaten folgten ihm mit ihrem Laster. Sie nahmen die Straße nach Kabul. Erst als es völlig dunkel war, wurden Bus und Lastwagen durch einen, wie es später heißen würde, unglückseligen Zufall getrennt. Der Bus fuhr allein weiter.
    Pul-i-Charki ist ein furchterregender, düsterer Klotz im Osten von Kabul, kurz vor der Felsschlucht am Ostrand der Ebene von Kabul. In der sowjetischen Besatzungszeit regierte hier die Geheimpolizei Khad, und die Schreie der Gefolterten gellten unablässig durch das Gebäude.
    Während des Bürgerkriegs gab es Zehntausende von Häftlingen, die das Gefängnis nicht lebend verließen. Seit Gründung der neuen Republik Afghanistan mit ihrer demokratisch gewählten Regierung haben sich die Zustände gebessert, aber es ist, als hallten die steinernen Bastionen, Korridore und Gewölbe immer noch von den Schreien der Geister wider. Zum Glück kam der Gefängnisbus niemals dort an.
    Zehn Meilen hinter der Stelle, wo die Militäreskorte abgehängt worden war, bog ein Pick-up aus einer Nebenstraße und folgte dem Bus. Als er seine Scheinwerfer aufblitzen ließ, hielt der Busfahrer an einem vorher erkundeten flachen Gelände am Straßenrand, hinter einigen verkümmerten Bäumen. Dort gelang dem Gefangenen die »Flucht«.
    Man hatte ihm die Handschellen abgenommen, sowie der Bus die letzte Sicherheitskontrolle auf dem Gelände von Bagram hinter sich gelassen hatte. Dann hatte er das warme, grauwollene shalwar kameez und die Stiefel angezogen, die man ihm gab, und schließlich hatte er sich den gefürchteten schwarzen Turban der Taliban um den Kopf gewunden.
    Brigadier Yusuf hatte die Fahrerkabine des Busses verlassen und den Pick-up bestiegen. Jetzt übernahm er das Kommando. Vier Leichen lagen auf der Ladefläche des Kleinlasters.
    Alle kamen frisch aus dem städtischen Leichenschauhaus. Zwei waren bärtig, und man hatte ihnen Talibankleidung angezogen. In Wahrheit handelte es sich um Bauarbeiter, die auf einem sehr wackligen Gerüst gestanden hatten, als es zusammenbrach.
    Die beiden anderen waren bei Autounfällen ums Leben gekommen. Afghanische Straßen sind dermaßen von Schlaglöchern übersät, dass man nur auf dem Mittelstreifen einigermaßen undurchgerüttelt fahren kann. Da es als ziemlich weibisch gilt, auszuweichen, nur weil jemand entgegenkommt, ist die Todesrate bei Unfällen beeindruckend. Die beiden glatt rasierten Toten trugen Gefängniswärter-Uniformen.
    Die toten Gefängniswärter würden Pistolen in den Händen halten. Man feuerte ein paar Kugeln in die Leichen. Die Taliban, die im Hinterhalt gelegen hatten, wurden am Straßenrand abgelegt, und die Wachen schossen auch auf sie. Die Tür des Busses wurde mit einer Axt zertrümmert, sodass sie offen an den Angeln hing. So würde der Bus irgendwann am nächsten Tag gefunden werden.
    Als die Kulisse fertig gestellt war, setzte Brigadier Yusuf sich neben den Fahrer in den Pick-up. Der ehemalige Gefangene kletterte mit den beiden Special-Forces-Männern, die im Bus gewesen waren, hinten auf die Ladefläche. Alle drei schlangen sich das lose Ende ihres Turbans vor das Gesicht, um sich vor der Kälte zu schützen.
    Der Pick-up fuhr an Kabul vorbei und über Land bis zu der Landstraße, die südwärts nach Ghazni und Kandahar führt. Dort wartete wie in jeder Nacht eine lange Kolonne von Fahrzeugen, die in ganz Asien als »Jingly Trucks« bekannt sind.
    Sie

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