Der Afghane
akzeptierten sie auch nicht. Zwei packten den Afghanen; der eine umschlang seinen Oberkörper und presste die Arme an seine Seiten, der andere nahm ihn bei den Oberschenkeln. Das Chloroform wirkte innerhalb von zwanzig Sekunden. Der Gefangene hörte auf zu zappeln und erschlaffte.
Er wurde auf eine Trage gelegt, die auf ein Rädergestell kam. Der Gefangene wurde mit einem Laken bedeckt und hinausgefahren. Eine Frachtkiste wartete draußen. Der gesamte Zellenblock war frei von Wachpersonal. Niemand sah etwas. Wenige Sekunden nach der Entführung lag der Afghane in der Kiste.
Für eine Frachtkiste war die Einrichtung nicht übel. Von außen sah sie wie eine gewöhnliche Holzkiste aus, wie man sie für Frachtzwecke benutzte. Sogar die Markierungen an der Außenseite waren völlig authentisch.
Innen war sie schallisoliert. In der Decke war ein Luftloch unter einer abnehmbaren Klappe, aber die würde erst entfernt werden, wenn die Kiste wohlbehalten in der Luft wäre. Am Boden befestigt waren zwei bequeme Sessel, der Innenraum war von mattem, bernsteingelbem Licht erfüllt.
Der bewusstlose Izmat Khan wurde in einen der Sessel gesetzt, der mit Gurten ausgestattet war. Damit wurde der Gefangene festgeschnallt, ohne dass die Blutzirkulation abgeschnitten wurde; so konnte er sich entspannen, aber nicht aufstehen.
Der fünfte CIA-Mann – derjenige, der in der Kiste mitfliegen würde – vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war. Dann nickte er seinen Kollegen zu, worauf die Seitenklappe der Kiste geschlossen wurde. Ein Gabelstapler hob sie hoch und fuhr sie hinaus auf den Flugplatz, wo die Hercules wartete, eine mit Langstreckentanks ausgerüstete AC-130 Talon der Special Forces, die ihr Ziel mühelos erreichen würde.
Unerklärte Starts und Landungen kommen in Gitmo mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks vor. Auf eine knappe Anfrage kam ein rasches »Clear for take-off« vom Tower, dann war die Transportmaschine in der Luft und nahm Kurs auf die McChord Base im Staat Washington.
Eine Stunde später hielt vor dem Zellenblock in Camp Echo ein abgedunkelter Wagen, aus dem eine kleine Gruppe von Männern stieg. In der leeren Zelle wurde einer von ihnen mit einem orangegelben Overall und weichen Pantoffeln bekleidet. Der bewusstlose Afghane war fotografiert worden, bevor man ihn zugedeckt und weggebracht hatte, und anhand des Polaroidfotos wurden mit der Schere ein paar Korrekturen an Haar und Bart des Ersatzmannes vorgenommen. Jede herabfallende Strähne wurde aufgelesen und entfernt.
Am Ende gab es ein paar knappe Abschiedsworte, dann gingen die Agenten und verschlossen die Zellentür hinter sich. Zwanzig Minuten später waren die regulären Wachen wieder da – verwundert, aber ohne Neugier. Das alles ging sie nichts an.
Sie warfen einen Blick auf die vertraute Gestalt des kostbaren Gefangenen und warteten auf die Morgendämmerung.
Die Morgensonne ließ die Gipfel der Cascades aufleuchten, als die AC-130 sich auf ihren Heimatflughafen McChord herabsenkte. Dem Stützpunktkommandanten hatte man gesagt, es handele sich um einen CIA-Transport, eine letzte Lieferung für die neue Forschungseinrichtung oben in den Wäldern der Wilderness. Mehr brauchte er trotz seines Rangs nicht zu wissen, daher fragte er auch nicht weiter. Die Papiere waren in Ordnung, und der Chinook-Hubschrauber stand startbereit.
Auf dem Flug war der Afghane wieder zu sich gekommen. Das Luftloch im Dach der Frachtkiste war offen, die Luft in der Hercules war gut und frisch. Sein Begleiter lächelte aufmunternd und bot ihm etwas zu essen und zu trinken an. Der Gefangene begnügte sich mit einem Soda, das er durch einen Strohhalm trank.
Zur Überraschung des Begleiters sprach der Gefangene ein paar Worte Englisch. Offenbar hatte er sie in den fünf Jahren in Guantanamo aufgeschnappt. Nur zweimal während des Fluges fragte er nach der Zeit, einmal senkte er den Kopf, so weit es ging, und sprach murmelnd seine Gebete. Ansonsten schwieg er.
Kurz vor der Landung wurde die Lüftungsklappe wieder eingesetzt; der wartende Gabelstaplerfahrer ahnte nicht, dass es keine gewöhnliche Ladung war, die er da vom Heck der Hercules zu dem Chinook hinüberfuhr.
Wieder schloss sich die Tür der Ladeluke. Das matte, batteriegespeiste Licht in der Kiste brannte weiter, war aber von außen nicht zu sehen, und auch kein Laut drang hinaus. Doch der Gefangene war, wie sein Begleiter später Marek Gumienny berichtete, friedlich wie ein Miezekätzchen. Überhaupt keine
Weitere Kostenlose Bücher