Der Afghane
persönlich.
Am Vormittag kam ein Hubschrauber der pakistanischen Armee und holte alles ab: die Gefangenen, gefesselt und mit Kapuzen über den Köpfen, zwei Leichen und die Kartons mit dem Beweismaterial, das in der Wohnung sichergestellt worden war. Es regnete Dankesworte, aber Peschawar ist nur ein Vorposten. Das Zentrum des Geschehens verlagerte sich jetzt, und zwar schnell. Tatsächlich war es bereits in Maryland angekommen.
In der Folge der Katastrophe, die heute schlicht als 9/11 bekannt ist, wurde eines klar, und niemand konnte es ernsthaft leugnen: Hinweise nicht nur darauf, dass etwas im Gange war, sondern auch weitgehende Erkenntnisse darüber, was es war, hatte es die ganze Zeit gegeben. Es war da gewesen, wie solche Erkenntnisse fast immer da sind: nicht in einem einzigen Paket in schöner Geschenkverpackung, sondern bröckchenweise überall verteilt. Sieben oder acht der neunzehn wichtigen Nachrichtendienste und Justizbehörden der USA hatten diese Bröckchen. Aber sie sprachen nicht miteinander.
Seit 9/11 ist das anders. Jetzt gibt es die sechs Hauptinstanzen, die schon in einem frühen Stadium über alles informiert werden müssen. Vier davon sind Politiker: der Präsident, der Vizepräsident, der Außen- und der Verteidigungsminister. Die fünfte ist der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, Steve Hadley, der für den Heimatschutz und die neunzehn Dienste zuständig ist. Und die sechste steht an der Spitze der Pyramide: der nationale Geheimdienstkoordinator John Negroponte, Director of National Intelligence.
Die CIA ist immer noch der wichtigste außerhalb der USA operierende Nachrichtendienst, aber ihr Direktor ist nicht mehr der einsame Wolf, der er früher war. Jeder reicht seine Erkenntnisse nach oben weiter, und die Parole heißt: zusammentragen und abgleichen. Unter den Riesen ist die National Security Agency in Fort Meade immer noch der größte, was Etat und Personal angeht, und der geheimste. Nur die NSA unterhält keinerlei Verbindung zur Öffentlichkeit und zu den Medien. Sie arbeitet im Dunkeln, aber sie hört alles, entschlüsselt alles, übersetzt alles und analysiert alles. Manches von dem, was da abgehört, aufgezeichnet, heruntergeladen, übersetzt und analysiert wird, ist jedoch so unergründlich, dass »externe« Expertenkommissionen damit befasst werden. Eine davon ist die Korankommission.
Als die Schätze aus Peschawar – teils elektronisch, teils physisch – eintrafen, machten sich auch andere Organe an die Arbeit. Die Identifizierung des Toten war von entscheidender Bedeutung, und diese Aufgabe ging an das FBI. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden stand die Identität zweifelsfrei fest. Bei dem Mann, der in Peschawar über das Balkongeländer gesprungen war, handelte es sich tatsächlich um den führenden Mittelbeschaffer von al-Qaida und einen der wenigen Vertrauten Osama bin Ladens. Die Verbindung war durch seinen ägyptischen Landsmann Aiman al-Sawahiri hergestellt worden; er war es gewesen, der den fanatischen Bankier entdeckt und angeworben hatte.
Das Außenministerium übernahm die Pässe. Es waren elf – eine unglaubliche Anzahl. Zwei waren nie benutzt worden, aber die übrigen neun enthielten Ein- und Ausreisestempel aus ganz Europa, dem Nahen und dem Mittleren Osten. Es überraschte niemanden, dass sechs belgische Pässe darunter waren, jeder auf einen anderen Namen ausgestellt und allesamt absolut echt bis auf das, was darin stand.
In der globalen Geheimdienstszene gilt Belgien seit langem als löchriger Eimer. Seit 1990 wurden atemberaubende neunzehntausend belgische Blanko-Passformulare als gestohlen gemeldet, und diese Zahl beruht auf Angaben der belgischen Behörden. In Wahrheit wurden sie einfach von bestechlichen Beamten verkauft. Allein fünfundvierzig Pässe stammten aus dem belgischen Konsulat in Straßburg und zwanzig aus der belgischen Botschaft in Den Haag, unter anderem die der beiden marokkanischen Mörder des Anti-Taliban-Kämpfers Ahmed Schah Massud und einer der sechs, die bei al-Qur gefunden worden waren. Die anderen fünf gehörten zu den immer noch verschwundenen 18935 Pässen.
Die Federal Aviation Administration, die amerikanische Luftfahrtbehörde, nutzte ihre Kontakte und ihren gewaltigen Einfluss im internationalen Luftverkehr, um Flugtickets und Passagierlisten zu überprüfen. Es war eine mühselige Arbeit, auch wenn die Zahl der relevanten Flüge durch die Ein- und Ausreisestempel weitgehend eingegrenzt war.
Langsam, aber
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