der Agentenschreck
Verschwörung an — und das alles für
westliches Kapital‹ wird er sagen. Jeder Dollar wird ein Nagel zu ihrem Sarg sein. Er kann das Geld beschlagnahmen und es der Regierung schenken. Damit ist er wieder um einen
Orden reicher. Und mit einer Million amerikanischer Dollar kann man sich sehr beliebt
machen.« Er schüttelte traurig den Kopf.
»Armer Bemish. Er wollte bloß ein bißchen Geld für Wein und Frauen und Zigaretten haben
— und wie haben diese beiden ihn ausgenutzt.«
»Und Philip?« fragte sie leise.
Er nickte. »Genau. Deshalb soll Encho Sie unverzüglich in seinem Taxi nach Sofia fahren —
Sie können ihm doch eine Kleinigkeit dafür bezahlen? — damit Sie um zwei Uhr in der
Botschaft sind. Ich selbst muß auch wieder zurückfahren, aber allein.«
»Balkantourist schickt mir...« Mrs. Pollifax brach ab und schüttelte den Kopf. »Wir fahren mit Encho«, entschied sie.
»Ihre Worte haben mich sehr beunruhigt.« Sie nahm ihren Hut mit dem Vogelnest ab und
gab ihn Tsanko zum zweitenmal. »Bitte, hier sind die Pässe, die ich Ihnen bringen sollte.«
Er nickte. »Jetzt nehme ich sie, obwohl drei Leute, die diese Pässe gerettet hätten, gestern abend ins Panchevsky-Institut gebracht wurden. Auf Befehl von General Ignatov.«
»Wohin?«
»So heißt eine Nervenklinik in Sofia, in die man die politischen Gefangenen sperrt — die vielleicht von uns allen die normalsten sind«, ergänzte er seufzend.
»Sie glauben nicht an Ihre Regierung«, sagte sie rasch.
»Gegen General Ignatov würde ich sie bis zum letzten Atemzug verteidigen«, beteuerte er leidenschaftlich.
Sie vergaß jede Diplomatie und fragte ihn: »Tsanko, wer sind Sie? Sie sind über den
jüngsten Stand der Dinge informiert. Und dann Tarnovo. Dürfen Sie denn fahren, wohin Sie wollen?«
Er lachte. »Ich habe ein Sommerhaus in den Bergen. Deshalb schlug ich Tarnovo vor. Und
wer ich bin — ein guter Kommunist, ein Patriot und auch — Gott steh mir bei — ein
Humanist.«
»Aber sind Sie gegen die Russen?«
Seine Augenbrauen schnellten hoch. »Bitte — nein, überhaupt nicht! Sie schützen uns vor den Wölfen, ihnen verdanken wir friedliche Jahre und einen gewissen Wohlstand.« Nach
kurzem Zögern sagte er: »Aber ehe ich sterbe, möchte ich noch sehen, daß mein Land
aufbricht, eine Richtung einschlägt. In Bulgarien stockt alles. Unsere Jugend verdient ein besseres Schicksal. Sie wird verbittert, mutlos, abgewürgt vom Bürokratismus —«
»Sie sind ein Nationalist!« rief sie zufrieden aus.
Er lachte. »Bitte — solche Worte sind höchst gefährlich. Am besten keine politischen
Gespräche, Amerikanski. Gestatten Sie mir, meine erste Amerikanerin zu genießen wie
einen guten Wein, eh?«
Auf der Rückfahrt nach Sofia sagte Debby unvermittelt: »Ich will Sie nicht mögen, Mrs.
Pollifax, und ich wehre mich mit aller Kraft dagegen, aber trotzdem sollen Sie wissen, daß ich sehr dankbar bin, noch am Leben zu sein.«
»Ich bin auch nicht eben ungehalten darüber«, erwiderte Mrs. Pollifax überrumpelt.
»Meine Eltern geben mir alles«, erklärte Debby störrisch.
»Sie sagen, sie selbst hatten es in ihrer Jugend sehr schwer, und deshalb soll ich nichts entbehren. Aber wenn ich etwas verlange, das ich mir wünsche, nennen sie mich verwöhnt
und undankbar.
Meine Mutter möchte dauernd, daß ich sie ins Vertrauen ziehe.
Mädchengeschichten. Ein einziges Mal habe ich ihr etwas Wichtiges erzählt, da war sie
entsetzt, hat meinen Vater gerufen, und ich wurde bestraft. Mein Vater ist ständig damit beschäftigt, Geld zu verdienen, und meine Mutter verbringt ihre Zeit damit, es auszugeben, mit ihren Freundinnen einzukaufen oder Bridge zu spielen. Sie langweilen sich und sind
unglücklich und wollen, daß ich genauso werde wie sie. Und das kann ich nicht — nein, nein und nochmals nein.«
Das wird ein Gefühlsausbruch, dachte Mrs. Pollifax und sagte: »Verstehe.«
»Phils Eltern sind anders. Wahrscheinlich mag ich ihn deshalb so gern. Wissen Sie, daß er sich jeden Cent für diese Europareise selbst verdienen mußte?« Ihre Stimme klang
respektvoll.
Mrs. Pollifax sah sie interessiert an.
»Jetzt dürfen Sie beginnen, meine Eltern zu verteidigen. Das wollen Sie doch sicher, nicht wahr?«
»Keine Spur«, antwortete Mrs. Pollifax ehrlich.
»Sie sagen also nicht, daß Sie es gut mit mir meinen?«
»Wie könnte ich das behaupten? Ich kenne sie doch gar nicht«, sagte Mrs. Pollifax
sarkastisch.
»Sie wollen mir
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