der Agentenschreck
Mrs. Pollifax ist genau wie Sie.«
»Was?« fuhr Carstairs auf.
Bishop nickte. »Sie läßt sich vom Impuls und ihrer Intuition leiten. Sie werden erst dann aufhören, um sie zu zittern, wenn sie zu einer wohlerzogenen und gut geschulten
Mitarbeiterin geworden ist, von der keinerlei Eskapaden zu befürchten sind.
Dann werden Sie nachts schlafen und nicht mehr fluchen. Und dann wird sie genau wie Ihre anderen Agenten sein und Ihnen nichts mehr nützen. Hab' ich recht?«
Carstairs sah ihn finster an. »Wollen Sie damit sagen, ich leite diese Abteilung rein impulsiv und intuitiv, Bishop?«
»Seit ich Sie kenne, haben Sie sich jedenfalls noch nie an die Vorschriften gehalten, Sir«, sagte Bishop sonnig. »Genau darin liegt ja das Geheimnis Ihres Erfolges. Übrigens läutet Ihr Telefon, Sir.«
Verärgert hob Carstairs ab und bellte in den Hörer. Dann hörte er zu. Seine Miene
veränderte sich. Als er auflegte, sagte er: »Etwas ist im Gange. In zehn Minuten will die bulgarische Botschaft eine wichtige Erklärung abgeben.«
15
Am nächsten Morgen wurde Mrs. Pollifax in Tarnovo durch lautes Hämmern an ihrer
Zimmertür geweckt. Mit lebhaften Zeichen gab man ihr zu verstehen, daß sie am Telefon
verlangt wurde. Sie warf sich einen Mantel über und lief in die Halle.
Sie nahm an, daß Nevena am Apparat sein würde und machte sich auf einiges gefaßt. Es
war jedoch nicht Nevena, sondern die amerikanische Botschaft in Sofia. Nachdem man sie
gebeten hatte zu warten, meldete sich Mr. Eastlake.
»Wie haben Sie mich denn gefunden?« staunte sie.
»Mit Mühe.« Eastlakes Stimme klang müde. »Sprachen Sie heute schon mit Balkantourist?«
»Nein.«
»Das kommt noch«, meinte er trocken. »Von dort habe ich Ihre Adresse. Die Leute wirken
allerdings reichlich verärgert.
Sie hatten einen Unfall, hörte ich?«
»Unter anderem. Aber deshalb haben Sie mich doch nicht angerufen?«
»Stimmt. Sie zeigten sich sehr um den jungen Trenda besorgt, und ich dachte mir, es würde Sie freuen zu hören, daß er heute nachmittag auf freien Fuß gesetzt wird. Um zwei Uhr, hier in der Botschaft.«
»Tatsächlich?« sagte Mrs. Pollifax ungläubig.
»Ja. Sie sind überrascht?«
»Angenehm überrascht«, sagte sie hastig. Wie sollte sie ihm ihr ungläubiges Staunen
erklären, nachdem Philips Verhaftung ihr drei Mordanschläge eingetragen hatte, den letzten davon am Vorabend. »Um zwei Uhr, sagten Sie?«
»Ja. Falls Sie die Adresse dieser Debby haben, dann verständigen Sie sie bitte ebenfalls.
Allerdings wird sie bestimmt in sämtlichen westlichen Tageszeitungen davon lesen.«
»Gern. Wieso hat man ihn... nämlich...«
»Diplomatischer Druck, nehme ich an«, erklärte Eastlake.
»Vermutlich dürfte auch der Kreml interveniert haben. Durch Bemishs prompte Berichte
prangte die Nachricht von Philips Verhaftung seit Dienstag früh auf den Titelblättern in London, Paris, New York und Oslo... Aber Ende gut, alles gut, wie, Mrs. Pollifax? Und
verbringen Sie Ihren restlichen Urlaub noch angenehm.«
»Ja... und herzlichen Dank.« Kaum hatte sie aufgelegt, lief sie nach oben, um Debby zu
verständigen. »Philip wird heute nachmittag um zwei Uhr in Sofia freigelassen.«
Debby setzte sich kerzengerade auf. »Fantastisch!« brüllte sie und stand mit jener
schwerelosen Geschmeidigkeit auf, über die Mrs. Pollifax bereits in der Nacht des Einbruchs so gestaunt hatte.
»Zuerst wird gefrühstückt und dann gepackt«, entschied Mrs. Pollifax eilig. Kurz darauf wurde sie aber schon wieder ans Telefon geholt. Diesmal war es Nevena. Verbittert fragte sie, was Mrs. Pollifax denn in Tarnovo täte, wenn sie von Rechts wegen in Borovets zu sein hätte.
»Tja«, begann Mrs. Pollifax und holte tief Luft, »ich habe Touristen getroffen, die mir sagten, Tarnovo sei so schön, daß ich es unbedingt sehen müßte. Ich bin ihnen gleich hinter dem Hotel begegnet, als ich in die falsche Richtung einbog —«
»Wieso sind Sie falsch eingebogen?« fragte Nevena streng.
»Die Weisungen waren klar und deutlich. Ich —«
»Ich habe mich eben verfahren und dabei diese Leute kennengelernt«, fuhr Mrs. Pollifax
unbeirrt fort.
»Was für Leute?«
»Engländer glaube ich. Oder Kanadier. Der Mann war auffallend groß und hatte eine Narbe.
An der linken Wange«, schmückte sie genußvoll aus. »Und so entschied ich mich eben für
Tarnovo.«
Sie hörte Nevena beinahe aufstampfen. »Ihr Amerikaner«, sagte sie beleidigt. »Das haben Sie jetzt davon.
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