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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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mich eben angesehen hast, Markéta, die Augen weit aufgerissen: So stand in jener Nacht sie vor mir!«
    »Sie?«, wiederholte Markéta, nach seiner Hand greifend. »Du meinst – Johanna?«
    Julius nickte mehrfach, noch immer tief in Gedanken. »Sie schlafwandelt zuweilen, das weiß im Hradschin jeder – aber warum ist sie ausgerechnet in jener Nacht vor meiner Tür herumgeschlichen?« Heftig schüttelte Julius seinen Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. »Na, wer weiß, ob ich da nicht was durcheinander werf.«
    Er nahm ihren Arm und wollte sie weiterziehen, aber Markéta sträubte sich und blieb wie angewurzelt im Uferschilf stehen.
    »Die fromme Senora«, murmelte sie, »Johanna schlafwandelt also? Und traust du ihr’s zu, dass sie in die Kabale verwickelt ist?«
    Julius schüttelte heftig den Kopf. Baron von Waldstein war ein Intimus der väterlichen Majestät – da war es gewiss nicht ratsam, seine Tochter der Verstrickung in eine Mordintrige zu bezichtigen, besonders dann nicht, wenn man keinerlei Beweise in Händen hielt.
    »Nein? Und was würdest du sagen, Julius, wenn sich herausstellte, dass sie mir gedroht hat?«
    »Ich wäre überrascht, wenn sie dir nicht gedroht hätte.« Er lachte leise. »Aber das sind leere Worte, glaub mir: Sie könnte niemals …«
    Er unterbrach sich und spürte im gleichen Moment, wie seine Stimmung sich erneut verfinsterte. »Kein Wort mehr von Johanna, ich bitt dich«, fuhr er fort. »Es spielt ja sowieso keine Rolle mehr: Wenn der Kaiser am Samstag das Gold in Hezilows Topf sieht, wird er meine Verbannung im Handumdrehen aufheben.« Er schob seinen Arm in ihre Beuge, und diesmal ließ sie sich willig weiterziehen. »Übrigens hab ich jemanden ausgeschickt, ins Siebenbürgische, um die Herkunft deiner Mutter zu überprüfen.« Von der Seite her sah sie ihn mit einer Miene an, in der sich Freude und Unglaube mischten. »Wenn du willst«, fuhr er fort, »gehen wir gleich nachher zu ihm und hören uns an, was er rausgefunden hat.«
    »Gleich nachher?«, echote sie. »Aber ist er denn hier auf der Burg? Und wie konnte er so schnell nach Siebenbürgen und zurück gelangen?«
    »Er ist geflogen«, sagte Julius, »auf seinem Sternenbett.« Und dann musste er so sehr lachen, dass alle überlebenden Schwäne mit rauschendem Flügelschlag von der Insel flohen, während er und Markéta auf denselben Hügel sanken, wo die Baderstochter vor bald fünf Wochen mit dem Nabellosen gesessen hatte, von Hezilows Gesellen belauert und von d’Alemberts Soldaten bewacht.
    »Wenn es dahinkäm, Geliebte, dass ich zwischen dir und der väterlichen Krone wählen müsste, es würd mir das Herz in Fetzen reißen.« Er bettete seinen Kopf in ihren Schoß und sah, die Augen gegen die senkrechte Sonne zusammenkneifend, zu Markéta empor, die ihm mit sanfter Hand über Stirn und Wangen fuhr, wie um ihn im Voraus für seinen Verlust zu trösten.
     
    Die Sonne versank hinter den Dächern von Krumau – schon wieder Abend, dachte Julius, wie bleiern die Stunden sich früher oftmals dahinschleppten, und wie geschwind sie vorwärtseilen, seit Markéta bei mir ist. Oder liegt’s daran, dass mir vor Samstag immer banger wird, je näher die Schicksalsstunde rückt? Dass mich eine uralte Angst durchschauert, wenn ich ihn in Gedanken vor mir seh, die väterliche Majestät? O mein allerherrlichster Herr, schwefelgelbe Sonne meiner Hoffnung, wie werdet Ihr mich anschauen, wenn wir Schulter an Schulter in Hezilows »Helle« stehen: zweifelnd, spöttisch – oder vertrauensvoll, ja stolz?
    Vor der Mittagssonne waren sie bald wieder von der Insel geflüchtet, in die schattigen Tiefen des Parks. Julius lehnte am Stamm einer vielhundertjährigen Eiche, Markétas Hände in den seinen, und schaute sie so forschend an, als ob die Antwort auf seine stummen Fragen am Grund ihrer blitzend grünen Augenseen läge.
    Wahrhaftig, dachte er wieder, es tät mir das Herz in Fetzen reißen.
    Er zog sie nah zu sich heran, schlang seine Arme um ihren schlanken Leib und küsste sie mit einer wilden Zärtlichkeit, die er niemals vorher empfunden hatte, bei keinem Mädchen, keinem Weib. Zwei Gehilfen des Puppenmachers trotteten unweit durchs Unterholz, Baschek und Unçerek oder Oblion und Tákie, doch Julius nahm sie kaum wahr. Er hielt Markéta umschlungen und küsste sie, wie ein ausgedörrter Wüstenwanderer unersättlich trinkt und trinkt, bei jedem Schluck die Vorsehung preisend, die ihn eben noch zeitig die rettende Oase, das

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