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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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das bleischwere Brokatkleid schnürte, in dem sie aussah wie eine riesige Herbstzeitlose. Seit zwei Stunden machten sich beide Zofen an ihr zu schaffen. Flor kauerte bei ihnen am Boden, pilzhaft starr und stets an den unerwartetsten Orten, sodass Lisetta oder Bronja mehrfach über ihn stolperten.
    Ihre Frisur glich dem babylonischen Sündenturm, mit Ausnahme der knochenbleichen Fransen, und ihr Korsett war so eng gezurrt, dass sie schon bei der Vorstellung, eine Treppe emporstelzen zu müssen, fast das Bewusstsein verlor.
    Und wofür das ganze Martyrium, wenn sie doch keine Gelegenheit bekommen sollte, die Hand des Kaisers zu küssen, geschweige denn, an der Tafel der väterlichen Majestät zu speisen?
    Nun, wir werden sehen, dachte Markéta, während Lisetta mit einer Puderquaste ihr Gesicht betupfte und Bronja wie ein fülliger Frosch um sie herumsprang, um den Saum ihres enormen Kleides geradezuzupfen.
    Kein Dekollete, hatte der Maître befohlen, die Majestät hält auf strengste Etikette nach spanischer Manier.
    Offenbar sah diese Etikette auch vor, dass die Mätressen der hohen Herren ausgesperrt blieben, während ein frömmlerisches Scheusal namens Johanna von Waldstein an Don Julius’ Seite im Fürstenappartement tafeln würde.
    »Genug jetzt, Mädchen«, sagte sie, »und wenn ich wie die Jungfrau Maria leuchten würde, der Kaiser würd mich doch keines Blickes würdigen.«
    Die Zofen wechselten betretene Blicke. Auch Johanna war ihre Herrin, und sogar von überlegener Macht, wie sie glauben mochten. Und hatten sie etwa nicht Recht?, dachte Markéta, für einen Moment überwältigt von Katerschmerz und Bitterkeit. Wenn Don Julius mich morgen satt bekommt, sitz ich übermorgen wieder im Badehaus und kann Jakob Schatzens fetten Huren die Schwarten kratzen.
    »Nur die Haube noch, Bronja, dann lasst uns runtergehen.«
    Auf Don Julius’ Befehl trug Flor ein blütenweißes Gewand, unförmig und knöchellang wie ein Engel-oder Totenhemd. Sehr viel lieber hätte sie den Nabellosen hier oben im Frauengemach zurückgelassen, bewacht von einem Gardisten, der ihr verlässlich schien, am besten von Franz Brodner. Aber Julius hatte drauf bestanden, der väterlichen Majestät den Goldschopfigen vorzuführen, und nach kurzem Zögern hatte sie zugestimmt.
    Eines zumindest haben deine Klagen bewirkt, Mutter Bianca: Mein Zorn auf den Puppenmacher hat an Kraft verloren, dabei trau ich ihm so wenig wie eh und je. Niemals werd ich ihm glauben können, und nie mehr werd ich meines Argwohns sicher sein.
    Sie nahm Flor bei der Hand und ging zur Tür. Draußen warteten Jan Mular und Bronjas Bruder Mikesch, und Markéta erschrak, als sie die beiden sah, die ihr damals, kurz nach Julius’ Ankunft, unten auf der Brücke entgegengetreten waren. Ein unheilvolles Zeichen, dachte sie, aber dann verwies sie sich den Aberglauben und nickte den Gardisten gleichmütig zu.
    Von den Burghöfen drang dumpfes Dröhnen und Tosen herauf, als ob die Moldauschleuse geborsten wäre. Fanfaren ertönten, Pferde wieherten, erregte Stimmen schrien durcheinander, während unablässig Kutsche um Kutsche durchs obere Tor in die Burg einfuhr.
    »Komm, rasch«, sagte Markéta zum Nabellosen, der gestern endlich wieder sein Schweigen gebrochen und ihr in langer, stammelnder Rede von Steinerin und Steiner, Herrn Veit und, vor allem, vom Drachen der Nacht in jener schauerlichen Halle berichtet hatte. Wie konnte Hezilow ein »Erlöser« sein? Aber wie könnte sie fortan noch gegen ihn eintreten, gegen den teuflischen Puppenmacher, dem Mutter Biancas letzte, verzweifelte Hoffnung galt?
    »Er wird menschliche Körper schaffen, in die Geister wie ich aus der Nebelwelt hinüberfahren können …«
    Sie nahm Flors Hand fester in die ihre und zog ihn mit sich, Treppe um Treppe nach unten, während die beiden Gardisten mit donnernden Stiefeltritten hinter ihnen hereilten.
    Draußen der Hof war gesteckt voll mit Gaffern, die allesamt aufwärts drängten, zum obersten Burghof, einander mit Händen und Knien vorwärts schiebend. Verbissen kämpfte sich Markéta durch die Menge, wobei sie Flor am Handgelenk mit sich zog. Endlich hatten sie den höchsten Hof erreicht, wo eben eine riesige schwarze Kutsche durchs Tor fuhr, von sechs Schimmeln gezogen. Eine gebieterische Stimme rief: »Seine Majestät, Rudolf II. allerdurchlauchtigster, großmächtigster Kaiser!« Fanfarenstöße ertönten, gefolgt von Trommeln, schmetternden Trompetenklängen und schließlich sogar einer Salve

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