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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Von droben plötzlich Stille, kein Prusten und Plätschern aus den Zubern, keine schweren Schritte mehr von Vater Sigmund. Bis unvermittelt wieder die Stimme von Mutter Bianca erklang, schrill jetzt vor Panik: »Markéta! O Gott, sie hört mich nicht! Markéta!«
    Da sieht sie auf, und vor ihr schwebt ein Faden aus zitterndem Licht, das traumleise, doch mit der Stimme von Bianca zu ihr spricht:
    »O mein Gott, Mädchen, endlich bist du da.«
    Markéta starrt sie an, vielmehr den fürchterlich dürftigen Glimmerfaden, der vor ihr im Nebel zittert. Wenn sie sich anstrengt, kann sie die Umrisse von Mutter Bianca erkennen, die durchscheinend, wie aus Glas geblasen, den Lichtfaden umschweben: ihre schlanke Gestalt im weißen Kleid, ihre Hände, die sie flehend nach ihr ausstreckt, ihr geliebtes Gesicht mit dem scheuen Lächeln, ihr Mund, der sich schließt und öffnet, und diesmal kann Markéta auch verstehen, was Mutter Bianca sagt, jedes einzelne Wort.
    Gott sei Dank, endlich werd ich ihre Botschaft erfahren, denkt sie, dann erst sinkt der Sinn der mütterlichen Worte in sie ein:
    »Ich bin im Himmel, Markéta: am entsetzlichsten Ort! Sieh mich an, sieh uns alle an hier draußen: kümmerliche Funzelgeister ohne Leib! Ach, es gibt nichts Grässlicheres, Markéta, als ohne Körper zu sein! Den eigenen Herzschlag nicht mehr zu spüren, das Pulsen des warmen Blutes, die federnde Schwere des eigenen Fleischs. Keine Hände, um damit zu greifen, zu umarmen, keine Lippen, um zu küssen, keine Zunge, um zu schmecken, keine Haut, um zärtlich sich anzuschmiegen! Der Himmel ist die Hölle, Markéta, so lange schon schrei ich dir die Botschaft zu, euch allen zur Warnung, die ihr noch auf Erden wandelt. Ach, gäb’s nur genügend lebendige Leiber dort drüben, wie schlangenschnell würden wir alle, die wir hier frierend durch den Nebel gleiten, zurück in warme Körper fahren!«
    Sie hielt inne, ihr Blick voll schmerzlicher Erwartung auf die Tochter gerichtet. Verzweifelt überlegte Markéta, welchen Trost sie ihr aussprechen könnte, sie selbst war ja wie zermalmt durch den mütterlichen Kummer und durch die unsäglich grässliche Botschaft: Der Himmel ist die Hölle!
    Während Mutter Bianca schwieg, wurde auch das glimmende Licht in ihrem Innern immer schwächer. Schon fürchtete Markéta, ihre geliebte Gestalt im Nebel entschwinden zu sehen, wie es ihr bei so vielen Geisterfäden vorher geschehen war.
    »Wie kann ich dir nur helfen, Mutter Bianca?«, gelang es ihr endlich zu fragen.
    »Ein Messias wird kommen, bald schon.« Auch Biancas Stimme wurde nun mit jeder Silbe matter, als rinne mit dem Licht die allerletzte Kraft aus ihr heraus. »Er wird menschliche Körper schaffen, in die Geister wie ich aus der Nebelwelt hinüberfahren können durch seine alchymische Magie. Der Messias wird von den Menschen verfolgt werden, auch von unserm guten Pater Hasek, aber Hasek irrt, Markéta, sie alle irren: Es ist der Erlöser, drum zweifle nicht und folg ihm nach, dann werde auch ich bald wieder bei dir sein.«
    Noch während Bianca sprach, wurde Markéta von ihr weggetrieben. Sie spürte, wie etwas Weiches ihr schwer über die Wangen und die Seiten ihres Körpers strich, so wie wenn man sich zwischen den Hälften eines dicken, fest geschlossenen Bühnenvorhangs hindurchschiebt, dann wurde es wieder luftig leicht um sie.
    Ich bin zurück, dachte Markéta und setzte sich auf, umgeben von schwarzer Nacht. Der Kopf dröhnte ihr vor Schmerzen. Neben sich im Dunkeln hörte sie jemanden leise atmen und begriff erst nach Momenten völliger Verwirrung, wo und bei wem sie war.
     
    Zurück aus der Welt jenseits des Nebels.
    Sie tastete neben sich und erfühlte Flors Schulter, weich und warm vom Schlaf. In ihrem Innern hörte sie wieder die gewisperte Botschaft von Mutter Bianca: »Er wird menschliche Körper schaffen, in die Geister wie ich aus der Nebelwelt hinüberfahren können durch seine alchymische Magie …«
    Von einem jähen Schauder erfasst, nahm sie ihre Hand von der Haut des Nabellosen. Ihr Kopf dröhnte, als ob unter ihrer Schädeldecke ein Dutzend Schmiede unablässig auf ihre Ambosse schlügen. Und abermals hörte sie die klagende Stimme von Bianca, die wie aus Glas geblasen vor ihr in der Dunkelheit schwebte: »Der Himmel ist die Hölle, Markéta!«
    Und der Messias heißt Hezilow.

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    Schon vor Tagen hatte ihm die Stradová den kaiserlichen Speisezettel durch Boten übermittelt: Böhmische Hirschkopfsülze und

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